Deichgrab
kommen gleich!«
Haie beugte sich leicht vor. »Okay, wir sprechen später weiter. Kein Wort zu Elke, die ist da nämlich nicht einer Meinung mit mir.«
Die Hausfrau saß bereits am gedeckten Tisch. Sie füllte die Teller reichlich mit Kartoffeln und Schmorbraten. Es schmeckte köstlich und Tom lobte ihre Kochkünste in den höchsten Tönen. Elkes Gesichtsfarbe wechselte ins Rötliche.
Während des Essens unterhielten sie sich über dieses und jenes. Elke fragte, wo Tom herkäme und was er hier machen würde. Er berichtete sehr ausführlich von München. So ausführlich, dass sie ihre Frage nach dem Grund seines Aufenthaltes im Dorf vergaß. Als er nach dem Essen noch helfen wollte, den Tisch abzuräumen, schob sie ihn förmlich aus der Küche.
»Ihr habt ja sicherlich noch einiges zu besprechen.«
Im Wohnzimmer schloss Haie die Tür und setzte sich wieder in den Sessel.
»Und wieso bist du nun eigentlich zu mir gekommen? Doch sicher nicht nur, um mir zu sagen, dass du der Neffe von Hannes Friedrichsen bist.«
Er füllte die Gläser erneut mit Korn. Sie prosteten sich zu, stürzten den Schnaps hinunter.
»Ich weiß gar nicht so genau. Ich habe erst vor zwei Tagen erfahren, dass Hannes angeblich Britta Johannsen umgebracht haben soll. Ich meine, eigentlich weiß ich gar nichts und ich hab auch keine Ahnung wie ich einfach behaupten kann, dass Onkel Hannes kein Mörder war. Ich möchte gerne die Wahrheit wissen über Onkel Hannes. Schließlich habe ich ein paar Jahre lang mit ihm zusammengelebt und ...«
»Und kannst dir nicht vorstellen, mit einem Mörder unter einem Dach gelebt zu haben«, schnitt Haie ihm das Wort ab.
»Genau. Ich meine, vielleicht mag es vermessen klingen, wenn ich sage, dass ich herausfinden will, was damals geschehen ist. Schließlich hat es ja nicht mal die Polizei geschafft.«
»Die war auch nicht sonderlich bemüht.«
»Es ist einfach so, dass ich nicht glauben kann, dass mein Onkel so etwas getan haben soll. Es gab ja auch gar keine Leiche und ich habe einige Sachen bei Onkel Hannes gefunden, auf die ich mir einfach keinen Reim machen kann. Das alles, wie auch die Reaktion der Leute im Dorf und deine Äußerung, macht mich irgendwie unruhig.«
»Kann ich verstehen. Nur was willst du von mir?«
»Nun ja«, druckste Tom herum, »ich dachte, ich meine, du kennst so ziemlich jeden hier und du warst auch damals dabei. Ich dachte, du könntest mir vielleicht helfen, etwas Licht in die ganze Sache zu bringen.«
Jetzt war es Tom, der einen Schnaps eingoss. Sie tranken. Haie schwieg einige Zeit, ehe er antwortete.
»Das wird nicht so einfach werden und vielleicht ist es manchmal auch besser, wenn man die Vergangenheit ruhen lässt. Ich meine, du kommst her, regelst den Nachlass, verkaufst das Haus, verschwindest wieder. Was hättest du davon, das ganze Dorf wieder in Aufruhr zu bringen? Und das würdest du, verlass dich drauf. Du hast ja keine Ahnung, was damals hier los war.«
»Genau deswegen möchte ich es aber doch erfahren. Habe ich denn kein Recht auf die Wahrheit?«
»Natürlich, aber wer hätte denn was davon? Hannes ist tot, es hilft ihm nun auch nicht mehr, wenn du die Wahrheit herausfindest. Und was, wenn sich herausstellen würde, dass Hannes Britta doch umgebracht hat? Was dann?«
Er schaute ihn unsicher an. So ganz unrecht hatte Haie nicht, was, wenn er bei seiner Suche nach der Wahrheit tatsächlich etwas herausfinden würde, was er gar nicht herausfinden wollte? Was dann? War er sich wirklich hundertprozentig sicher, dass Onkel Hannes mit dem Verschwinden von Britta nichts zu tun hatte? Er schluckte dreimal, ehe er antwortete.
»Ich war damals ganz allein. Meine Eltern waren tot, mein Großvater war tot. Ich hatte niemanden. Hannes war der Einzige, der mich aufgenommen hat, obwohl er nur ein entfernter Verwandter war. Ohne ihn wäre ich vermutlich in einem Heim oder sonstwo gelandet. Wer weiß, was aus mir geworden wäre. Ich bin es ihm einfach schuldig.«
Haie nickte zustimmend.
10
Frieda war zum Abendessen bei Hanna eingeladen. Seit Lorentz im Heim war, kochte Hanna einmal in der Woche für sie. Große Lust hatte Frieda heute nicht. Nach dem Fehlschlag mit dem Familienalbum war sie schwermütig. Fast bedauerte sie, das Album mitgenommen zu haben. Nicht ein Foto aus ihrem gemeinsamen Leben hatte bei Lorentz irgendeine Reaktion ausgelöst. Nicht eines. Nur dieses kleine, unscheinbare Foto, von dem Frieda nicht einmal gewusst hatte, dass es existierte. Sie
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