Deichgrab
Heim, während Frieda den Kuchen aß. Nach einer Weile fragte sie:
»Haben Sie getan, worum ich Sie gebeten hatte?«
Frieda nickte.
»Sie sollten sich zwar nicht zuviel davon versprechen, aber vielleicht hilft es, ihn aus seiner Apathie zu befreien. Es gibt Fälle, da haben alte Bilder eine enorme Verbesserung herbeigeführt, teilweise sogar eine leichte Rückentwicklung der Krankheit. Versuchen Sie es einfach.«
Frau Steinke stand auf. Ihre Pause war zu Ende. Frieda blieb noch eine Weile im Garten sitzen. Neidisch blickte sie zu dem älteren Paar auf der Terrasse hinüber, das sich angeregt unterhielt.
Lorentz war inzwischen aufgewacht, saß in seinem Bett und starrte die weiße Raufasertapete der gegenüberliegenden Wand an. Als Frieda aus dem Garten zurückkam, reagierte er mit einem Blinzeln.
»Lorentz«, sagte sie, »ich habe dir eine Überraschung mitgebracht.«
Aus ihrem Nylonbeutel holte sie das Familienalbum, legte es aufgeschlagen auf das Bett. Sie wartete, aber Lo-rentz konnte scheinbar mit den Bildern nichts anfangen. Teilnahmslos blätterte er durch die Seiten des Albums, ohne bei irgendeinem Bild besonders lange auszuharren. Frieda setzte sich dichter ans Bett.
»Weißt du noch, da hast du beim Ringreiten gewonnen.«
Frieda deutete auf eines der Bilder, welches Lorentz auf einem Pferd zeigte. Um den Hals des Pferdes hatte man einen Kranz mit bunten Bändern gelegt. Den Siegerkranz. Lorentz schaute Frieda fragend an.
»Wir haben ein riesiges Fest veranstaltet. Eine ordentliche Sause hast du mit den Jungs gemacht. Und Lilli, dein Pferd, hat eine extra Portion Hafer bekommen.«
Friedas Wangen glühten förmlich, so eifrig versuchte sie, Lorentz die Erinnerungen an diesen Tag herbeizureden. Doch es war zwecklos. Lorentz zuckte nur mit den Schultern, blätterte weiter. Frieda seufzte, klappte das Album zusammen. Als sie es hochhob, fiel eine kleine Fotografie heraus. Lorentz nahm sie in die Hand, betrachtete sie. Unvermittelt fing er an zu weinen.
»Es tut mir leid, Herr Petersen«, der Mann auf der anderen Seite des Schreibtisches schüttelte den Kopf, »aber ein weiterer Kredit ist nicht genehmigt worden.«
Frank spürte, wie ihm etwas Eiskaltes den Rücken hinunter kroch. Es begann an seinem Haaransatz und arbeitete sich langsam bis zu seinem Hosenbund vor. Er verschränkte die Arme vor der Brust, beugte sich leicht vor.
»Bitte?«
Rein akustisch hatte er zwar das, was der Mann hinter dem Schreibtisch gesagt hatte, verstanden, nur begreifen konnte er es nicht. Sein Gegenüber schlug noch einmal die Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag auf und blätterte nervös darin herum. Die Situation war ihm sichtlich unangenehm. Er räusperte sich.
»Ja also, wenn wir uns die Zahlen mal ganz genau vor Augen halten, müssen wir zu dem Schluss kommen, dass der bestehende Kredit bei weitem die Höchstgrenze für ihre finanzielle Situation überschritten hat.«
›Alles nur blödes Bla, Bla, Bla‹, dachte Frank. ›Die wollen einfach nicht. Aber nicht mit mir!‹
»Sie wollen mich doch nur ruinieren! Wenn ich nicht mehr zahlen kann, kriegt doch die Bank den Hof. Das ist es doch, was Sie wollen. Darum geben Sie mir keinen Kredit mehr!«
Franks Stimme wurde immer lauter. Er kochte vor Wut. Mit der flachen Hand schlug er auf die Tischplatte.
»Aber, aber«, versuchte der Bankangestellte ihn zu beruhigen.
Frank jedoch legte nun erst so richtig los.
»Sie, Sie sind es doch gewesen, der gesagt hat, wenn erst mal die Belastung von den Tausendfünfhundert erledigt ist, dann sähe es mit dem Kredit sehr gut aus. Ihre Worte!«
Er fuchtelte aufgeregt mit dem Finger vor dem Gesicht des Bankangestellten herum.
»Und was ist nun? Belastung weg, Kredit trotzdem nicht? Wie kann das denn sein? Haben Sie sich geirrt oder wollten Sie mich etwa nur hinhalten?«
Frank hatte sich weit über den Schreibtisch gelehnt. Wenn er sprach, spritzten kleine Tropfen ins Gesicht seines Gegenübers. Der traute sich mittlerweile gar nichts mehr zu erwidern. Wie ein gescholtener Schuljunge ließ er Franks Beschimpfungen über sich ergehen, bis plötzlich die Tür geöffnet wurde. Eine Dame betrat den Raum, schaute erstaunt von einem zum anderen. Die Situation konnte sie nicht deuten.
»Herr Meier wäre dann jetzt da«, sagte sie zögerlich.
Der Mann hinter dem Schreibtisch nickte erleichtert.
Frank zischte noch: »Mit Ihnen bin ich noch nicht fertig!«
Dann verließ er fluchtartig den Raum.
Draußen war er zunächst
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