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Deichgrab

Deichgrab

Titel: Deichgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
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dem Foto neben seinem Onkel war. Er würde es ihm bei der nächsten Gelegenheit zeigen.
    Flüchtig blätterte er die restlichen Seiten durch. Nach der letzten Seite schlug er das Album zu und räumte die Sachen von der Eckbank in den Karton vom Dachboden. Als er den Schuhkarton mit seinen alten Briefen ebenfalls hineinlegen wollte, öffnete er den Deckel noch einmal und nahm einen Brief heraus.

     
    Lieber Großvater,

     
    heute war ein ganz besonderer Tag. Tante Lisbeth hat mich abgeholt und wir sind in die Stadt gefahren. Gleich nach dem Frühstück hat sie draußen vor der Tür gehupt. Sie wollte aber nicht hereinkommen, nicht mal auf einen Kaffee. Ich glaube, Onkel Hannes war ein wenig traurig darüber. Er hat mir Geld zugesteckt, denn Tante Lisbeth sollte neue Sachen zum Anziehen für mich kaufen.
    Ich bin in den Wagen gestiegen und wir sind losgefahren. Tante Lisbeth sagte, sie wolle möglichst früh in der Stadt sein, denn da sei es noch nicht so voll in den Geschäften. Wie schon bei meiner ersten Fahrt mit ihr, hat sie die ganze Zeit geredet und geredet. Sie hat mich jede Menge gefragt, denn sie hatte mich nicht gesehen, seit sie mich vom Bahnhof abgeholt hatte. Wie es mir denn so ginge? Wie es in der Schule klappte? Ob Onkel Hannes nett zu mir sei?
    Ehe ich mich versah, waren wir schon in der Stadt und sie parkte vor einem großen Kaufhaus.
    In dem Kaufhaus waren schon viele Leute, obwohl wir so früh losgefahren waren. Aber das war ja auch kein Wunder, schließlich ist Weihnachtszeit und die Leute kaufen ihre Geschenke ein.
    Ich habe dann zwei neue Hosen, eine Jacke, drei Pullover und Unterwäsche zusammen mit Tante Lisbeth ausgesucht. Ich bin nämlich ein ganzes Stück gewachsen und sie meinte, ich könnte nicht in den alten Sachen herumlaufen. Ihr Bruder hätte kein Auge für so etwas, sagte sie, aber mir gefiel es nicht, wie sie über ihn sprach.
    An der Kasse wollte ich die Sachen von Onkel Hannes Geld bezahlen, aber Tante Lisbeth sagte, ich solle es wieder wegstecken. Sie bezahlte alles und sagte, mehr könne sie leider nicht für mich tun. Was sie damit meinte, habe ich nicht verstanden.
    Von dem Geld habe ich ein Weihnachtsgeschenk für Onkel Hannes gekauft. Natürlich nicht von dem ganzen Geld, den Rest wollte ich Onkel Hannes zurückgeben. Tante Lisbeth hat mich zwar so merkwürdig angeguckt, aber nichts weiter gesagt. Ich habe ihm eine große Schachtel seiner Lieblingspralinen gekauft. Die Dame an der Kasse hat die Schachtel in wunderschönes Geschenkpapier verpackt.
    Nach dem Einkaufen hat mich die Tante noch auf eine Tasse heiße Schokolade ins Café eingeladen. Das war prima. Anschließend hat sie mich wieder nach Hause gebracht.
    Onkel Hannes hatte schon auf uns gewartet. Aber auch jetzt wollte Tante Lisbeth nicht mit hineinkommen. Sie sagte irgendwas von einem wichtigen Termin und ist ganz schnell wieder weggefahren.
    Das Geschenk habe ich hinter meinem Bücherregal versteckt. Wie haben zusammen Abendbrot gegessen und Onkel Hannes ist danach in die Kneipe gegangen.
    Aber nun bin ich schrecklich müde und gehe ins Bett.
    Bis zum nächsten Mal.

     
    Viele liebe Grüße,
    Dein Tom

     
    Haie wachte auf, weil seine Knochen schmerzten. Er war auf dem Sofa eingeschlafen.
    Nachdem er Elke gestern zur Rede gestellt hatte, war das Gespräch eskaliert. Sie hatten sich fürchterlich gestritten. Elke hatte geschrien, er solle die alten Geschichten ruhen lassen und hatte angefangen zu weinen.
    Sie hatte ihm nicht erklärt, warum sie die Aussage gegen Hannes gemacht hatte, war nur ins Schlafzimmer gerannt, hatte ihm sein Bettzeug aufs Sofa geworfen und sich eingeschlossen. So aufgebracht hatte er seine Frau noch nie erlebt. Und er verstand sie nicht.
    Sein Blick fiel auf die leere Kornflasche auf dem Couchtisch. Nach Elkes Flucht war er ins Wohnzimmer gegangen und hatte nachgedacht. Dabei hatte er sich das ein oder andere Gläschen gegönnt.
    Er stellte die Kaffeemaschine an und deckte den Frühstückstisch. Im Garten pflückte er Blumen und stellte sie in einer Vase auf den Tisch.
    Er hatte bereits die zweite Tasse Kaffee getrunken, als er Elke hörte. Als sie in die Küche kam, sagte er schnell:
    »Es tut mir leid. Ich wollte nicht streiten.«
    Sie nickte. Ihre Augen waren gerötet, sie sah blass aus.
    »Mir tut es leid.«
    Sie blickte ihm in die Augen. Der Zorn von gestern Abend war aus ihrem Blick verschwunden. Sie schluckte mehrmals und sagte:
    »Ich habe gelogen.«

     
    Als Tom die Unterlagen

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