Dein Auftritt Prinzessin
sind strikt dagegen, dass ihre Kinder an Schultagen noch nach 23 Uhr telefonieren. Das ist sogar strengstens VERBOTEN. Und jetzt war es kurz vor 23 Uhr. Aber solange Mom im Zimmer war, hatte ich nicht die nötige Privatsphäre für dieses extrem wichtige Telefongespräch.
»Ach so.« Mom grinste. Obwohl sie schwanger ist, sieht sie mit ihren langen, schwarzen und genau richtig gelockten Haaren immer noch total attraktiv aus. Ich hab meine Haare eindeutig von Dad geerbt, auch wenn ich seine noch nie gesehen hab, weil ich ihn nur mit Glatze kenne.
Die DNS ist was verdammt Ungerechtes.
Irgendwann ging, nein, schleppte sich Mom endlich aus dem Zimmer (Schwangere sind so lahm! Evolutionstechnisch wäre es ja logischer, sie würden schneller werden, statt langsamer, um vor eventuellen Raubtieren flüchten zu können, aber die Evolution ist nun mal nicht immer logisch) und ich hechtete zum Telefon. Mein Herz hämmerte voller Vorfreude. Endlich, endlich konnte ich mit Michael reden, und das sogar ganz ohne schlechtes Gewissen, weil mir Mom ja gesagt hatte, dass Zurückrufen nicht dasselbe wie Nachlaufen ist.
Als ich gerade nach dem Telefon greifen wollte, klingelte
es! Mein Herz schlug einen Salto. Wie jedes Mal, wenn ich Michael sehe. Ich war mir nämlich hundertprozentig sicher, dass er es ist. Trotzdem meldete ich mich erst nach dem zweiten Klingeln - ich will zwar nicht, dass er mich wegen irgendeines Mädchens verlässt, das ihn nicht so zappeln lässt, aber er soll auch nicht denken, ich säße die ganze Zeit am Telefon und würde auf seinen Anruf warten - und sagte mit warmer, fraulicher Stimme: »Hallo?«
»Amelia?«, krächzte mir Grandmères zigarettenverräucherte Stimme entgegen. »Wieso klingst du so heiser? Kriegst du etwa eine Grippe?«
»Grandmère!« Ahhhhhhhh! Die Uhr zeigte 22:59:00! Ich hatte noch exakt eine Minute Zeit, um Michael anzurufen, ohne den ewigen Zorn seiner Erzeuger auf mich zu ziehen. »Ich kann jetzt nicht reden. Ich muss dringend jemanden anrufen.«
» Pff «, machte Grandmère verächtlich. »Ich kann mir denken, wen du um diese Zeit Wichtiges anrufen willst.«
»Grandmère!« 22:59:30. »Keine Sorge. Er hat mich zuerst angerufen. Ich rufe bloß zurück. Das verlangt die Höflichkeit.«
»So spät kannst du bei diesem Jungen nicht mehr anrufen«, behauptete Grandmère.
23:00:00. Vorbei. Zu spät. Grandmère sei Dank. Oder Undank.
»Du siehst ihn doch sowieso morgen in der Schule«, sagte sie. »Und jetzt gib mir mal deine Mutter.«
»Meine Mutter!« Das schockte mich total. Grandmère redet nur mit Mom, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt. Die beiden vertragen sich überhaupt nicht, seit sich Mom damals, als sie mit mir schwanger war, weigerte, Dad zu heiraten, um ihrem Kind das wechselvolle Schicksal einer zukünftigen Fürstin zu ersparen.
»Ganz richtig. Deine Mutter«, sagte Grandmère. »Ich nehme an, du weißt, wer das ist?«
Also bin ich ins Wohnzimmer rüber und hab Mom, die sich gerade mit Mr G auf MTV »The Osbournes« anschaute, das Telefon in die Hand gedrückt. Ich hab ihr nicht gesagt, wer dran ist, sonst hätte sie garantiert von mir verlangt, Grandmère zu sagen, sie sei unter der Dusche, und dann hätte stattdessen ich mich noch länger mit ihr unterhalten müssen.
»Hallo?«, meldete sich Mom fröhlich. Wahrscheinlich dachte sie, es wäre eine ihrer Freundinnen, die mit ihr über Ozzy und Konsorten ablästern will. Ich verdrückte mich fluchtartig aus der Gefahrenzone. In Moms Reichweite lagen mehrere schwere Gegenstände, die sie in meine Richtung hätte schleudern können.
Zurück in meinem Zimmer, dachte ich sehnsüchtig an Michael und überlegte, wie ich mich morgen herausreden könnte, wenn Lars und ich ihn und Lilly zur Schule abholen. Dass ich zu spät nach Hause gekommen sei, um mich noch bei ihm zu melden? Wenn doch nur meine zuckenden Nasenflügel nicht wären. Ich weiß nicht, ob er inzwischen gemerkt hat, dass sie beim Lügen immer zucken, aber womöglich hab ich es Lilly gegenüber mal erwähnt. Ich bin nämlich total unfähig, die Klappe zu halten, wenn es um Dinge geht, die ich besser für mich behalten sollte. Und wenn sie es ihm weitererzählt hat? Wie ich da so niedergeschlagen und auch ziemlich schläfrig auf meinem Bett hockte, weil es nach genovesischer Zeitrechnung ja schon fünf Uhr morgens war, kam mir plötzlich die geniale Idee. Vielleicht war Michael ja zufälligerweise gerade online, dann konne ich ihm schnell eine Instant
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