Dein Auftritt Prinzessin
Rochester nicht nachgelaufen ist, sondern dafür gesorgt hat, dass er ihr nachläuft, verstehst du? Und Tina und ich haben uns feierlich geschworen, es genau wie Jane zu machen.«
Im Gegensatz zu Grandmère schien Mom das gar nicht toll zu finden.
»Aber Jane Eyre war doch so gemein zu Mr Rochester!«, rief Mom.
Ich sagte ihr nicht, dass ich das eigentlich auch gefunden hatte... im ersten Moment jedenfalls.
»Mom«, sagte ich stattdessen streng. »Und die arme Bertha auf dem Dachboden zu verstecken, ist das etwa nett?«
»Doch nur, weil sie verrückt war«, wandte Mom ein. »Damals gab es noch keine Psychopharmaka. Bertha auf den Dachboden zu sperren war viel gnädiger, als sie ins Irrenhaus abzuschieben, wo die Patienten damals noch an die Wand gekettet wurden. Also wirklich, Mia. Manchmal frage ich mich echt, wie du auf deine Ideen kommst. Jane Eyre? Wer hat dir das Buch denn empfohlen?«
»Öh...« Ich zögerte, weil ich wusste, dass die Antwort Mom nicht gefallen würde. »Grandmère.«
Mom presste die Lippen so fest zusammen, dass sie praktisch unsichtbar wurden. »Aha. Das hätte ich mir ja denken können«, sagte sie. »Jetzt hör mir mal zu, Mia. Ich finde es
ja sehr vernünftig von dir und deiner Freundin, dass ihr Jungs nicht nachlaufen wollt. Aber wenn dir ein Junge eine sehr nette Nachricht auf dem AB hinterlässt, so wie es Michael getan hat, kann man es ja wohl kaum als Nachlaufen bezeichnen, ihn zurückzurufen. Im Gegenteil. Das verlangt schon die Höflichkeit.«
Ich dachte nach. Möglicherweise hatte Mom Recht. Zumal Michael ja auch keine wahnsinnige Ehefrau auf seinem Speicher versteckt. Ich glaub noch nicht mal, dass das Apartment auf der Fifth Avenue, in dem die Moscovitzens wohnen, überhaupt einen Speicher hat.
»Na gut«, hab ich gesagt und den Klamottenstapel, den ich gerade wegräumen wollte, aufs Bett gelegt. »Zurückrufen ist wahrscheinlich erlaubt.« Mein Herz klopfte gleich schneller beim Gedanken daran, dass ich schon in wenigen Sekunden - vorausgesetzt Mom ließ sich so schnell aus dem Zimmer vertreiben - Michaels Stimme hören würde! Und zwar ohne dieses nervige Ozeanrauschen in der Leitung, das man bei transatlantischen Telefongesprächen immer hört. Uns trennt hier nämlich kein Ozean! Nur noch der Washington Square Park. Ich muss auch keine Angst mehr haben, er könnte sich wünschen, ich wäre Kate Bosworth und nicht Mia Thermopolis, weil es in Manhattan gar keine Kate-Bosworth-Klone gibt, die mir gefährlich werden könnten - und wenn, dann rennen sie nicht in Bikinis herum. Jedenfalls nicht im Winter.
»Rückrufe fallen wahrscheinlich wirklich nicht unter die Kategorie Nachlaufen«, sagte ich. »Doch. Ich glaub, das kann ich riskieren.«
Mom setzte sich kopfschüttelnd auf mein Bett.
»Also wirklich, Mia«, sagte sie.»Du weißt, ich widerspreche deiner Großmutter höchst ungern …« (was ja wohl die größte Lüge ist, seit René mir weismachen wollte, ich sei
eine begnadete Walzertänzerin. Aus Rücksicht auf ihren schwangeren Zustand ließ ich es ihr durchgehen), »… aber ich bin wirklich gegen solche Psychospielchen. Erst recht, wenn dir an dem Jungen wirklich etwas liegt. Und erst recht, wenn er so nett ist wie Michael.«
»Aber, Mom, wenn ich für den Rest meines Lebens mit Michael zusammenbleiben will, dann muss ich solche Spielchen mit ihm spielen«, erklärte ich geduldig. »Ich darf ihm auf keinen Fall die Wahrheit sagen. Wenn er merkt, wie sehr ich ihn liebe, würde er davonrennen wie ein verschrecktes Reh.«
Mom guckte total entgeistert. »Wie ein was?«
»Ein verschrecktes Reh«,wiederholte ich. »Tina hat ihrem Freund Dave Farouq El-Abar gesagt, dass sie ihn liebt, und was war? Er hat voll einen auf George Clooney gemacht.«
Mom blinzelte. »Auf wen?«
»Na, auf George Clooney«, sagte ich. Mom kann einem echt Leid tun. Also, dass sie so wenig Ahnung hat! Sie kann von Glück reden, dass Mr G bei ihr geblieben ist. »Du weißt schon. Er hat Angst bekommen und ist abgehauen. Und hat sich erst wieder blicken lassen, als Tina Karten für die Wrestlemania im Madison Square Garden aufgetrieben hat. Aber er benimmt sich trotzdem noch komisch, sagt Tina.«
Inzwischen war ich mit Auspacken fertig, scheuchte Fat Louie aus dem Koffer, klappte ihn zu und stellte ihn auf den Boden. Dann setzte ich mich neben Mom aufs Bett. »Und, Mom«, sagte ich eindringlich. »Ich will nicht, dass mir das mit Michael auch passiert. Ich liebe Michael nämlich mehr als
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