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Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Boden?«
    Sie nickte langsam. »Ja. ich glaube. Und dann ging es kaputt.«
    »Versuche dich zu erinnern. Du hast es nicht – es hat nicht vielleicht seinen Kopf getroffen, als du es fallen ließest?«
    »Seinen Kopf? Wie er da lag – meinst du?« Sie sah total verwirrt aus.
    Paulus Smith sagte: »Ich gehe davon aus, dass Ihnen klar ist, dass Ihre Fragen sehr manipulativ sind, Veum. Das würde vor Gericht niemals durchgehen.«
    Ich sah ihn an. »Mag sein. Aber ich muss es einfach wissen. Ich muss versuchen, sie dazu zu kriegen, sich zu erinnern.«
    Sie sagte: »Aber ich schaffe es nicht, Varg! Es ist alles ganz dunkel. Wie – o Gott! Vielleicht stimmt es, was all die anderen sagen. Vielleicht habe ich ihn doch getötet – und ich – und ich kann mich nur nicht daran erinnern.«
    Sie wirkte so hilflos und verzweifelt, dass ich am liebsten zu ihr gegangen wäre, sie in die Arme genommen und ihr ins Ohr geflüstert hätte: Nein, meine Kleine, nein. Das hast du nicht getan. Denk nicht so etwas. Und wenn du es denkst, dann sag es nicht laut.
    Aber ich tat nichts, und was ich sagte, war für einen Zuhörer bestimmt: »Red keinen Unsinn, Wenche. Du weißt genauso gut wie ich, dass du ihn nicht getötet hast.«
    Sie saß mit krummem Rücken auf ihrem Stuhl, das Gesicht zum Boden gewandt. Dann starrte sie von unten zu mir herauf, knapp unter den Augenbrauen hervor, wie ein unsicheres Kind, das ausgeschimpft wurde. »Ja, ich weiß das, Varg«, sagte sie fast flüsternd.
    Wir schwiegen einen Moment. Die Frau zwischen uns zog unsere Blicke auf sich, und ich registrierte, dass Smith sie keine Sekunde aus den Augen ließ. Ab und zu schüttelte er kaum merklich den Kopf, als sähe er keine Hoffnung, wie ein Chirurg, der nicht das Herz hat, einem jungen Krebspatienten zu sagen, dass es keine Hoffnung mehr gibt, dass es allzu schnell Abend geworden ist.
    Dann sagte ich: »Richard Ljosne …«
    Sie sah wieder zu mir auf. »Ja? Was ist mir ihm?«
    »Ich habe dich ja mit ihm zusammen getroffen, Dienstag Vormittag. Wie ist deine Beziehung zu ihm?«
    Sie wurde rot. »Meine Beziehung? Was meinst du eigentlich? Er ist mein Chef. Nicht mehr und nicht weniger.«
    Ich betrachtete prüfend ihren Blick. Ihre Augen hingen an meiner Hemdbrust, am obersten Knopf, an meiner nackten Halsgrube. Aber sie waren wie Ballons mit zu viel Ballast, sie stiegen nicht zu meinem Gesicht, zu meinen Augen auf. Ich sagte: »Du musst daran denken, dass wir hier sind, um dir zu helfen, Wenche. Du musst versuchen, nicht wütend zu werden, wenn wir dumme Fragen stellen. Wenn wir sie nicht stellen, dann tut es wahrscheinlich die Polizei. Und es ist nicht sicher, ob sie sich dafür entschuldigen werden.«
    Sie schluckte und nickte: »Entschuldige …« Ihre Stimme war wieder kaum zu hören und sie hatte wieder diesen kindlichen Gesichtsausdruck.
    Ich sagte: »Warum war er bei dir – an dem Vormittag!«
    Ihr Blick glitt wieder davon. »Er – er ist doch bei der Marine, und er – ab und zu tut er mir einen Gefallen.«
    »Einen Gefallen?«
    »Ja.« Sie sah mich bittend an, als ob sie erwartete, dass ich es verstehen sollte. Ich begann tatsächlich zu ahnen, worum es ging, als sie hinzufügte: »Es ist nicht so, dass – Du weißt, dass ich nicht trinke, aber ab und zu tut mir ein kleiner Drink gut oder ein Glas Wein am Abend, wenn ich allein bin – weißt du?«
    Ich nickte. »Aha. Und Kapitän Richard Ljosne hat Zugang zu zollfreien Waren?«
    Sie nickte wieder. »Ja. Ich kaufe nicht viel, aber – und dann ist er so nett, es mir nach Hause zu bringen, wenn ich …«
    »Das war es also, was er an dem Tag bei dir wollte? Neue Ware liefern, sozusagen?«
    »Ja. Genau. Mehr nicht. Und danach fuhr er mich zur Arbeit. Ich fühlte mich nämlich nicht wohl. Du weißt selbst – all das …«
    »Und welche Gefallen tatest du ihm?«
    Sie sah mich verschreckt an. »Keine, Varg. Nicht das, was du meinst jedenfalls. Er – er ist mein Chef, wir haben ein Büro, wir arbeiten zusammen. Und wir sind gute Freunde, sozusagen. Er – wir sind ziemlich viel zusammen bei der Arbeit, weißt du? Er ist nett und wir trinken oft Kaffee zusammen, reden. Ich – ich habe ja keine Freundinnen – im Grunde ist Richard – im Grunde ist er der einzige Freund, den – ich habe.«
    »Aber niemals mehr als ein Freund?«
    »Nein, glaub mir! Ich habe nie – wir haben nie …« Sie suchte nach Worten.
    Ich unterbrach sie und sagte: »Ist schon gut. Ich glaube dir. Wir glauben dir. Ist er

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