Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
Vom Netzwerk:
verheiratet?«
    »Richard? Ja. Aber nicht besonders glücklich glaube ich. Ich glaube, sie bleiben zusammen wegen der Kinder.«
    »Er hat also Kinder?«
    »Drei Stück. Zwei Jungs und ein Mädchen. Zwischen acht und zwölf Jahren, glaube ich.«
    Ich fuhr fort: »Dienstag – als du mich im Büro anriefst und mich batst, mit Jonas zu sprechen …«
    »Ja? Hast du mit ihm gesprochen?«
    »Ja. Ich habe mit ihm gesprochen. Aber als du anriefst, habe ich dich gefragt, ob ich am Abend kurz zu dir rauskommen sollte, und du sagtest, dass es nicht passen würde, dass du verabredet seist.«
    Dieses Mal sah sie nicht einmal auf meine Hemdbrust. Sie sah Smith an, ihren Anwalt, als wolle sie ihn bitten, mich aufzuhalten. In gewisser Weise fühlte ich mich plötzlich auf der Seite der Feinde, als würde ich Jagd auf sie machen mit meinen ganzen quälenden Fragen. Ich sagte: »Was hattest du an dem Abend vor?«
    Dann wandte sie sich mir so ruckartig zu, dass ich fast zusammenzuckte. Trotzig starrte sie mir in die Augen und sagte: »Auszugehen!«
    »Allein? Oder mit wem?«
    »Mit Richard. Er hatte mich eingeladen. Er hatte mir schon seit langem ein feines Essen versprochen, und dieser Abend passte – und da lud er mich ein – in ein Restaurant.« Wie um sich zu entschuldigen, sagte sie: »Wenn du ahntest, wie lange es her ist – war, dass ich im Restaurant gewesen war. Und gegessen hatte. Und getanzt …«
    »Ihr habt getanzt …«
    »Ja. Ist da etwas dabei? Wir haben getanzt, und als das Restaurant schloss, hat er mich nach Hause gebracht, bis zur Tür – und dann ist er gegangen. Varg. Mehr ist nicht passiert – wirklich nicht!«
    »Und Roar – wer …«
    »Ein Mädchen aus dem Haus passte auf ihn auf. Er schlief.«
    Ich sah sie an. Dienstagabend. Seitdem schien eine halbe Ewigkeit vergangen zu sein. Aber es war nicht länger als zweieinhalb Tage her. Und während ich in der Bryggestue saß und Jonas Andresen zuhörte, war sie mit Richard Ljosne ausgegangen. Hatte gegessen, getanzt …
    »Hat er dir nie den Hof gemacht?«
    »Wer? Richard? Nein, hat er nicht! Sind wir nicht jetzt bald fertig mit ihm? Ich verstehe nicht, was das überhaupt mit dem Ganzen zu tun haben soll – schließlich ist es nicht Richard, der tot ist, oder?«
    »Nein. Es ist nicht Richard, der tot ist«, sagte ich leise.
    Ich stand da und sah auf den Boden. Er war grau und aus Beton, und da dies keine Ausnüchterungszelle war, sondern nur so ähnlich aussah, lag dort ein verschlissener Läufer in allen Farben des Regenbogens. Ein schmutziger Regenbogen, aber immerhin ein Regenbogen.
    Ich schaute wieder zu ihr. Sie sah müde und gequält aus. Ihre Schultern waren hochgezogen und angespannt und sie saß auf dem Stuhl, als wäre sie auf dem Sprung. Aber springen würde ihr nicht helfen, denn sie konnte nirgends hin springen. Ich sagte: »Nur noch eine kleine Sache zum Schluss, Wenche. Diese – Solveig Manger. Bist du ihr mal begegnet?«
    »Ja.« Ihre Stimme klang kühl. »Ich bin ihr begegnet. Was ist mit ihr?«
    »Sie war -«
    Ihre Stimme war jetzt nicht mehr kühl. Sie barst wie dünnes Porzellan vor unseren Augen. »Ja, ich weiß, wer sie ist, was sie war! Sie war eine Hure! Sie war Jonas’ kleine Hure!«
    »Na ja …«
    Sie sah mich herausfordernd an. »Ja, sie war eine Hure, Varg! Frauen, die anderen Frauen die Männer wegnehmen, sind Huren, egal womit du es entschuldigst.«
    Ich sagte: »Ich finde, du gehst zu weit, Wenche. Aber okay, ich verstehe, du bist verletzt, du …«
    »Aber als ich sie traf, da war sie so weich wie Seide, immer ganz lieb und freundlich. Ich sage dir, sie dachte, dass ich es nicht wüsste, sie begriff nicht, dass ich es kapiert hatte – schon beim ersten Mal, als ich sie sah – was für ein Typ sie war. Eine von diesen …«
    »Und Richard Ljosne ist verheiratet, aber du bist mit ihm ausgegangen, stimmt’s?«
    »Ja, und? Ausgegangen, ja – aber ich habe nicht mit ihm geschlafen! Darin liegt der Unterschied, wusstest du das nicht, Varg, wo du doch sonst alles weißt?«
    Ich sagte: »Nein, also darin liegt der Unterschied? Nein, das wusste ich nicht. Dann weiß ich also wohl doch nicht alles, wie du siehst.«
    »Nein, das tust du wohl nicht. Du verstehst verflucht wenig von dem Ganzen, Varg. Verflucht wenig – von – dem Ganzen …« Und dann hatte sie doch noch Tränen, ganz tief drinnen. Sie brauchten nur so lange, um bis zu den Augen zu kommen. Dann konnte sie weinen, und ihr Gesicht wurde rot und schrumpelig wie ein

Weitere Kostenlose Bücher