Dein bis in den Tod
alter Apfel, und sie verbarg es hinter ihren Händen, schluchzte in ihre Handflächen, schluchzte mit den Schultern, dem Rücken, weinte mit ihrem ganzen Körper.
Paulus Smith sagte: »Ich glaube, wir haben jetzt genug geredet, Veum. Ich glaube, es wird Zeit, dass wir Frau Andresen in Ruhe lassen.« Er fasste mich hart am Arm und starrte verkniffen in mein Gesicht. Leise sagte er: »Wenn du noch eine Weile so weitermachst, dann ist sie nicht mal in der Lage, vor Gericht auszusagen!« Und nach einer kurzen, nachdenklichen Pause fügte er hinzu: »Aber das wäre vielleicht auch das Beste.«
Ich nickte. An Wenche Andresen gewandt sagte ich: »Entschuldige. Es tut mir Leid. Ich hätte das nicht sagen sollen. Du hast Recht: ich weiß verflucht wenig – von dem Ganzen.«
Sie sah von ihren Händen auf, sah uns mit großen, roten Augen an und nickte zustimmend oder zum Zeichen, dass sie die Entschuldigung annahm.
Smith sagte: »Wir gehen jetzt, Frau Andresen. Aber wir sehen uns wieder. Versuchen Sie, sich zu entspannen. Es wird schon alles gut werden. Das tut es meistens.«
Ich sagte: »Bevor wir gehen … Kann ich zwei Worte mit Wenche – Frau Andresen sprechen – allein?«
Er betrachtete mich forschend. »Keine Dummheiten jetzt, Veum. Denk dran, was ich gesagt habe.«
Ich nickte. »Ich denke dran.«
Er sagte: »Na dann. Ich warte vor der Tür.« Er klopfte an die Zellentür, und die Polizistin ließ ihn hinaus. Er sagte ihr, sie solle die Tür zumachen, aber sie brauche nicht abzuschließen. Sie betrachtete mich misstrauisch und hatte ein Nein auf der Zunge, aber der Respekt vor Smith siegte. Mit einem missbilligenden Gesichtsausdruck schloss sie die Tür wieder.
Ich drehte mich zu Wenche Andresen um und ging zu ihr. Sie stand auf, und ich spürte ihr tränennasses Gesicht an meinem Hals und dachte: Jetzt wird mein Hemd nass. Und Smith, der alles sieht …
»Oh, Varg, Varg, Varg«, schniefte sie.
Ich hielt sie von mir weg, sah das geschwollene, rote Gesicht vor mir, die glänzenden Augen, die keine Ruhe finden konnten, die über mein Gesicht irrten, vom Mund zu den Augen und wieder hinunter. Ich sagte: »Sag mir nur eines, Wenche.«
»Ja?«
»Ich wollte nicht danach fragen, während Smith dabei war, aber wenn du willst, dass ich dir helfen soll, dann darfst du nicht sauer werden, sondern musst mir ehrlich antworten.«
»Ja …« nickte sie.
»Hast du eine Ahnung, wer sonst – kennst du jemanden, der möglicherweise – Jonas umbringen wollte?«
»Nein, ich – nein, Varg, niemanden.«
Das war nur eine einleitende Frage. In die andere musste ich einfach hineinspringen. Ich hielt sie fest in meinen Armen und fragte: »Sag mir – du hast ihn nicht umgebracht, oder?«
Ihre Augen wurden schwarz und dann wieder blau und das mehrmals, als hätte jemand eine Fahrradpumpe an ihre Pupillen angeschlossen, der sie nun heimlich aufpumpte und dann die Luft wieder herausließ. »Nein, Varg, das ist die Wahrheit: Ich habe ihn nicht umgebracht. Ich habe ihn nicht umgebracht!«
»Gut«, sagte ich und tätschelte ihre Wange. »Das war alles. Mach’s gut. Bis bald.« Dann ließ ich sie schnell los und klopfte an die Zellentür. Ich warf einen letzten Blick zu ihr und versuchte, aufmunternd zu lächeln, aber ich weiß nicht, wie es gelang. Es fühlte sich jedenfalls nicht sehr aufmunternd an.
Ich hätte sie natürlich küssen können. Aber ich wollte sie nicht küssen – nicht hier und jetzt. Ich wollte die Küsse aufsparen für den Tag, wo sie vielleicht wieder aus diesem viereckigen Raum herauskam, bis ich sie in meinen Armen halten und sagen konnte: Du bist frei, Wenche, frei! Aber nicht vorher.
Paulus Smith wartete auf mich. »Na? Was wolltest du sie fragen, in meiner Abwesenheit?«
Ich sah keinen Grund, ihn zu belügen. »Ich habe sie gefragt – ganz direkt –, ob sie Jonas Andresen umgebracht hat.«
»Ja? Und was hat sie geantwortet?«
»Sie sagte Nein. Sie sagte, sie habe ihn nicht umgebracht.«
Er ließ den Atem langsam durch zusammengebissene Zähne strömen. Dann sagte er: »Das weiß der Himmel, Veum. Das weiß der Himmel.«
»Das weiß der Himmel – wenn der Himmel es weiß«, sagte ich.
Wir gingen mit schweren Schritten wieder zum Haupteingang hinauf. Es fühlte sich an, als kämen wir aus dem Reich des Todes.
Draußen vor dem Polizeigebäude sagte er: »Halten Sie mich auf dem Laufenden darüber, was Sie herausfinden, Veum.« Er war wieder formell geworden.
»Das werde ich tun«, antwortete
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