Dein bis in den Tod
erzählt, Varg.«
Ich sagte: »Selbstverständlich hast du das. Das wissen wir. Aber als ich es hörte – das war direkt danach. Ich will, dass du das Ganze noch einmal erzählst, jetzt – so wie du es jetzt in Erinnerung hast.«
»Aber ich – es – noch einmal? Hört es denn nie auf?«
Ich sagte: »Ich fürchte – egal, wie es weitergeht, fürchte ich, dass es lange dauern wird, bis du mit dieser Geschichte ganz fertig bist, Wenche. Wahrscheinlich wirst du es nie. Aber sie wird in den Hintergrund treten, nach und nach, wenn du ein wenig Abstand bekommen hast. Aber wenn wir – wenn ich in der Lage sein soll, dir zu helfen, dann musst du es mir – noch einmal erzählen, ruhig und langsam …«
Sie lehnte sich an die Wand. »Kann ich mich hinsetzen?«
Ich schob ihr den Stuhl hin.
Sie sah zu uns auf. »Hat jemand eine Zigarette?«
Ich sah fragend Smith an, der eine Packung aus der Tasche zog. »Die Klientenpackung«, sagte er entschuldigend an mich gewandt. »Ich selbst rauche nicht. Rauchen ist etwas für junge Leute oder für Leute, die bald sterben müssen.«
Er gab ihr Feuer, und sie sagte: »Wie ich schon erzählt habe: Ich war gerade nach Hause gekommen. Ich wollte Essen machen.«
»Entschuldige, dass ich unterbreche«, sagte ich. »Ich muss es nur ganz klar haben. Hat jemand gesehen, dass du nach Hause kamst? Hast du jemanden getroffen, den du kanntest? Hast du jemanden gegrüßt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Nein.«
»Absolut niemanden?«
»Nein.«
»Nicht einmal jemanden, den du kanntest?«
»Nein, Varg, ich kann mich wirklich nicht erinnern, überhaupt jemanden gesehen zu haben. Das heißt, ich habe natürlich Menschen gesehen. Irgendjemandem begegnest du ja immer auf der Straße. Aber ich meine – ich kenne ja nicht einmal die, die auf meiner Etage wohnen, also wie sollte ich all die anderen kennen?«
»Tja. Dann …«
»Soll ich weitermachen?«
»Ja, versuch’s.«
»Also. Dann hatte ich also die Idee, diese Fruchtgrütze zu machen, und dann musste ich in den Keller, um das Marmeladenglas zu holen. Und als ich zurückkam …«
»Moment. Du bist die Treppe runtergegangen, sagst du?«
Sie nickte.
»Und du bist niemandem begegnet?«
»Nein, auch da nicht.«
»Und es dauert einige Minuten, runterzugehen und wieder rauf.«
Sie nickte eifrig. »Ja! Das sage ich doch. Ich war – ich war bestimmt ungefähr zehn Minuten weg.«
Paulus Smith sagte: »Haben Sie die Zeit gestoppt?«
Sie sah ihn verwirrt an. »Nein, aber ich kann es mir denken, weil ich ein bisschen nach dem Glas suchen musste. Es war nur noch dieses eine Glas Erdbeermarmelade da. Sonst nur noch Himbeer und Preiselbeer.«
Ich sagte: »Zehn Minuten?«
»Ja«, sagte sie. »Und in der Zeit muss es passiert sein.«
Ich sagte: »Keine Frage. Zehn Minuten …« Ich wiederholte es, als läge darin eine verschlüsselte Botschaft.
Sie fuhr fort: »Und als ich zurückkam … Ich habe ja sofort gesehen, dass die Tür einen Spalt offen stand und dachte – Roar!. Jok … Diese Gang. Und dann lief ich.«
»Du sahst nicht nach unten zum Parkplatz? Du hast mich nicht gesehen?«
»Dich? Nein, warst du da schon da?«
»Ja. Ich dachte, das hättest du mitbekommen. Dass ich da unten stand und mit Joker sprach, als das Ganze passierte. Die Polizei hat mich auf ihrer Zeugenliste stehen.«
Sie sagte tonlos: »Ja, das stimmt. Du hast es ja dann erzählt. Aber es ist so viel passiert. Und dann Jonas, wie er auf dem Boden lag, als ich reinkam und blutete und blutete.«
»Er …« Ich sah sie eindringlich an. »War er schon tot – als du …«
Sie nickte heftig. »Jedenfalls bewusstlos. Oder doch, er muss tot gewesen sein. Er sah mich jedenfalls nicht, starrte nur auf die Wand. Und er sagte nichts. Es lief – Speichel aus seinem Mundwinkel, und das Messer stach – aus seinem Bauch, wie – wie – ich weiß auch nicht!« Sie sah aus, als wolle sie sich übergeben.
»Und was hast du dann getan?«
»Ich – ja, dann bin ich wohl auf den Balkon gelaufen und habe um Hilfe gerufen – und dann wieder hinein …«
»Und das Messer?«
»Ja, das Messer, das habe ich rausgezogen. Ich wollte – helfen … Es war …«
Ich hörte Paulus Smith hinter mir seufzen, aber er sagte nichts.
»Und das Marmeladenglas?«, fragte ich.
»Das Marmeladenglas? Das habe ich wohl fallen lassen – vor Schreck. Ich kann mich nicht genau daran erinnern. Der Schock …«
»Du kannst dich nicht daran erinnern, wo du es fallen gelassen hast? Auf den
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