Dein Blick so kalt
Ihnen elektropostalisch zugesandt hat.«
Elektropostalisch. Was war denn das für ein Wort? Lou unterdrückte das aufsteigende Kichern und nickte.
Märtig fragte, ob sie auch anonyme Anrufe oder Drohungen erhielt oder in sonstiger Form unerwünscht Kontakt zu ihr aufgenommen wurde.
Sie schüttelte den Kopf.
»Haben Sie eine Vermutung, wer sie schtalkt?«
Lou musste grinsen. Er meinte wohl stalkt und sprach es bayerisch aus.
»Vielleicht der Sohn der Hausmeisterin oder der Prinzipienreiter.«
»Der Prinzipienreiter?«, wiederholte Märtig stirnrunzelnd.
»Ich weiß nicht, wie er heißt, und nenne ihn halt so. Er wohnt im selben Haus und ist irgendwie komisch.«
»Irgendwie komisch?« Der Mann hatte sich offenbar entschlossen, ihr Echo zu sein. Lou fühlte sich wie eine verdammte Idiotin. Weshalb bekam sie keinen geraden Satz raus?
»Können Sie das präzisieren? Hat er Sie belästigt oder verfolgt? Fotografiert er Sie? Werden Sie beobachtet?«
»Ich weiß es nicht…«
»Aber Sie verdächtigen ihn. Und der Sohn der Hausmeisterin. Hat er auch einen Namen?«
»Pagel. Ben Pagel«, stotterte Lou. »Ich hab ihn mal allein in meiner Wohnung gelassen. Er hat was repariert…«
»Und weshalb vermuten Sie, dass er dahintersteckt?«
»Er… ich…« Lou schloss für eine Sekunde die Augen. Sollte sie sagen, er sieht aus wie ein Grottenolm und ist mir total unheimlich? Sie wusste ja selbst, dass sich das total lächerlich anhörte. Märtig glaubte ihr nicht. Das lief jetzt genau in dieselbe Richtung wie ihr Gespräch wegen des zerschnittenen Shirts vor ein paar Tagen.
»Erwarten Sie etwa, dass meine Freundin gerichtsfeste Beweise liefert? Das ist schließlich Ihr Job«, mischte Lysander sich nun ein. »Sie sehen die Mail doch und die Bilder. Jemand spioniert hinter meiner Freundin her und er droht ihr. Ich bin bei dir. Immer an deiner Seite. Das ist Stalking. Daran besteht ja wohl kein Zweifel.« Lysander drehte das aufgeklappte MacBook zu sich und las laut: Weißt du eigentlich, wie gut du riechst? Das ist doch pervers. Solche Typen sind gefährlich. Denen muss man das Handwerk legen, und zwar bevor etwas passiert.«
Lou war ihm so dankbar. Lysander hatte es auf den Punkt gebracht. Das musste den Polizisten doch überzeugen.
Mit einer Hand fuhr Märtig sich über den mächtigen Schädel. »Das ist zu wenig. Eine elektropostalische Nachricht. Die andere können Sie ja leider nicht vorzeigen.« Es klang, als ob er glaubte, Lou habe die erste Mail erfunden. »Sie bekommen keine Anrufe. Niemand droht Ihnen. Eine einzige belegbare unerwünschte Kontaktaufnahme. Um den Absender wegen Schtalking zu belangen, müssten Sie ihm erst klarmachen, dass Sie keinen Kontakt zu ihm wünschen. Sonst ist das kein Schtalking. Nicht so einfach, das Ganze.« Wieder fuhr er sich mit der Hand über den Kopf.
»Das ist doch eine total verdrehte Logik. Meine Freundin soll dem Kerl mitteilen, dass sie nicht gestalkt werden will? Geht’s noch?«
»Das ist leider so.«
»Sie nehmen das nicht ernst. Sie wollen nichts unternehmen. Beamtenmikado oder was? Wer sich zuerst….«
»Hoppla!« Märtig beugte sich über den Tisch. »Hüten Sie Ihre Zunge. Sie wollen sicher keinen Beamten beleidigen. Das ist strafbar.«
Lou blieb die Luft weg. Dieser Polizist wollte ihr nicht helfen, aber Lysander wegen Beamtenbeleidigung drankriegen. Der hatte ja wohl einen Vogel.
Lysander starrte Märtig in die Augen. Alle Muskeln strafften sich, er schob den Stuhl quietschend zurück und griff nach Lous Hand. »Komm, wir gehen. Ich weiß auch schon, wohin. Legal. Illegal. Scheißegal.«
43
Es war schon kurz nach zehn, als Lysander an der Wohnungstür seines Bruders in Untergiesing klingelte. Sie befand sich im vierten Stock eines Wohnblocks, der zurzeit renoviert wurde. Ein Baugerüst verdeckte die Fassade, Planen raschelten im Nachtwind. Im Treppenhaus roch es nach Gips und Farbe.
Romeo Klein/Sabine Römer. Diese Namen standen auf dem Klingelschild. Lou musste schmunzeln. Klein Romeo. Sie konnte verstehen, dass er über diese Namenswahl seiner Eltern nicht entzückt war. Aus der Wohnung klang Musik. Schritte näherten sich, eine junge Frau öffnete die Tür. Schwarzes Tanktop, Bermudashorts, Flipflops. Buntes Tuch im schwarzen Haar. Koboldblick. »Hallo Lysander. Willst du zu Meo?« Ein neugieriger Blick streifte Lou.
»Wenn wir nicht stören.«
»Er ist auf dem Heimweg von der Arbeit. Dauert also noch ein bisschen. Kommt doch solange rein.«
Sie
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