Dein Blick so kalt
einem Kollegen im Präsidium. Er wird die Anzeige aufnehmen. Und dann geht alles den vorgeschriebenen Weg. An die personenbezogenen Daten einer IP-Adresse würde ich zwar auch ohne Beschluss kommen. Man hat ja so seine Möglichkeiten… Aber sie wären nicht gerichtsverwertbar.«
»Wieso denn das?«, fragte Lou.
»Illegal erlangte Beweismittel werden vor Gericht nicht zugelassen. Und selbst wenn, ich kann das ja nicht an die große Glocke hängen. Dann habe ich wenigstens ein Disziplinarverfahren am Hals.« Meo gähnte und stand auf. Es war wohl Zeit zu gehen. »Ich muss jetzt echt ’ne Runde pennen.« Er wandte sich an Lou. »Mach dir keine Sorgen. Zwei Mails sind nicht wild. Ich hatte schon mit ganz anderen Fällen zu tun. Da gab es mal eine Frau, die über tausend bekommen hat.«
»Wenn ich aber gar nicht gerichtlich gegen den vorgehen will, dann könntest du mir schneller sagen, wer dahintersteckt?« Lou wollte doch nur wissen, wer das war.
Meo seufzte. »Und dann? Denkst du, er hört auf, wenn er enttarnt ist? Glaub ich eher nicht. Lass uns den legalen Weg gehen.«
»Wie lange kann das dauern?«
In einer entschuldigenden Geste breitete Meo die Arme aus. »Also ganz ehrlich: Er bedroht dich nicht. Erste Priorität wird deine Anzeige daher nicht haben. Das kann schon einige Wochen dauern. Wenn ich ein wenig Druck mache, geht’s vielleicht schneller.«
Hatte Meo gerade Wochen gesagt? Lou glaubte, sich verhört zu haben. Lysander mischte sich ein. »Komm, das ist doch Wahnsinn! Wie soll Lou das wochenlang aushalten?«
»Wer sagt denn, dass noch mehr Mails kommen. Vielleicht war es das schon. Wenn nicht, dann ändert das unter Umständen die Sachlage.« Nun klang Meo ganz wie ein Polizist. »Dann wird der Fall natürlich vorrangig bearbeitet.«
»Du meinst, wenn er so weit geht und Lou bedroht? Muss denn erst was passieren?«, fuhr Lysander seinen Bruder an. »Vorschlag. Du machst den Kerl zackig auf deine Art ausfindig. Wenn Lou sich dann doch entscheidet, ihn vor Gericht zu bringen, stellen wir uns ganz dumm und bekommen seine Daten mithilfe der offiziellen Anzeige. Deal?« Lysander hielt Meo die Hand hin.
Meo schlug nicht ein. »Was soll das bringen?«
»Schnelle Gewissheit, wer dahintersteckt.«
»Und dann siehst du ihm tief in die Pupille und machst einmal laut Buh oder schlägst ihn zusammen oder was? Und Lou hat künftig Ruhe? Nee, Lysander. So läuft das im Allgemeinen nicht.«
»Man könnte es aber probieren. Lou kann doch nicht wochenlang in dieser Ungewissheit leben.«
»Ich riskiere meinen Job, wenn ich auffliege. Wegen zwei seltsamer Mails! Lasst mich darüber schlafen. Okay? Wir reden morgen weiter.« Er brachte sie zur Tür.
Lou war sauer und enttäuscht, als sie durchs Treppenhaus gingen. Sie hatte sich Hilfe von Meo erwartet und nun schien auch er sie hängen zu lassen. Auf dem Weg zur U-Bahn kochte schließlich eine Mischung aus Panik und Wut in ihr hoch. Jeder Quadratzentimeter ihrer Haut zog sich zusammen, ein dumpfer Schmerz, während gleichzeitig eine nie gekannte Unruhe in ihr zu pulsieren begann. »Niemand nimmt mich ernst. Nur zwei Mails. Als wäre das nichts. Jemand verfolgt mich und fotografiert mich, wo ich gehe und stehe, und keinen interessiert das.«
Sie erreichten die Rolltreppe zum Bahnsteig. Unwillkürlich sah Lou sich um, ob jemand ihnen folgte. Lysander legte seinen Arm um ihre Schulter. »He Lou. Jetzt übertreibst du aber schon ein bisschen. Wo du gehst und stehst, das stimmt ja nicht. Er hat einige Fotos gemacht, und zwar in der Nähe deiner Wohnung.«
Jetzt auch noch Lysander! Er spielte das herunter, während ihre Angst wuchs und sie mit sich reißen wollte. Das Gefühl, ganz allein zu sein, tat sich auf wie ein schwarzes Loch. »Und? Ist das etwa besser!«, fauchte sie ihn an. Wütend riss sie sich von ihm los. »Der terrorisiert mich und will mich fertigmachen und alle tun so, als sei das ganz normal. Und wenn der nun nachts bei mir einbricht und mich vergewaltigt oder umbringt? Wird dann die Polizei endlich was tun?«
Eine alte Frau, die auf der Rolltreppe nebenan nach oben fuhr, starrte zu Lou hinüber. Ihr Mund stand offen.
»Ach Lou.« Lysander wollte den Arm wieder um sie legen, doch sie schüttelte ihn ab. »Und auch dein toller Bruder ist feige und verschanzt sich hinter irgendwelchen Paragrafen.« Sie kamen unten am Bahnsteig an. Die U-Bahn war gerade eingefahren.
»Jetzt bist du aber unfair. Meo wird sich das ansehen und dafür sorgen, dass
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