Dein Blick so kalt
deine Anzeige…«
»Unfair! Ich bin also unfair! Geht’s noch?« Das war einfach zu viel. Sie war so wütend, verängstigt und traurig zugleich wie noch nie in ihrem Leben. »Du denkst wohl, ich steigere mich da hinein und bin völlig hysterisch!«
»Hysterisch ist vielleicht das falsche Wort…«
»Vielleicht!« Eine Sekunde starrte sie ihn an. »Toll! Weißt du, was, du musst dich nicht damit belasten. Ich kriege das alleine geregelt. Wie bisher alles in meinem Leben! Und Tschüss!« Lou schaffte es gerade noch in die U-Bahn, da schlossen sich schon die Türen hinter ihr. Lysander stand allein am Bahnsteig, den Kopf beomäßig überrascht zur Seite geneigt. Eine schmutzige Scheibe trennte sie. Lou fühlte sich plötzlich hundeelend. Ihr ganzes Leben ging den Bach hinunter. Die Tränen begannen einfach zu laufen.
44
Am nächsten Morgen hatte sie vom Heulen Kopfschmerzen und ihre Augen fühlten sich dick und verquollen an. Sie setzte sich auf die Bettkante und sah aufs Handydisplay. Keine SMS von Lysander. Keine Nachricht auf der Mailbox. Echt klasse! Das hatte sie ja echt super hingekriegt. Obwohl? Eigentlich war ja sie dran, sich bei ihm zu melden. Schließlich hatte sie ihn einfach stehen lassen. Bei der Erinnerung an ihren nächtlichen Abgang stöhnte sie. Sie war so in Panik gewesen, wie noch nie in ihrem Leben. Jetzt bei Tageslicht konnte sie wieder klar denken.
Auf dem Weg ins Bad sah sie den Stuhl, der noch unter der Türklinke klemmte, damit niemand in die Wohnung gelangen konnte. Gestern Nacht war sie wirklich kurz davor gewesen durchzudrehen. Nicht einmal das neue Schloss hatte ihr ein Gefühl von Sicherheit vermittelt.
Und nun strahlte die Sonne ins Zimmer, die Geister der Nacht waren verschwunden und Lou hatte das Gefühl, total überreagiert und sich völlig idiotisch benommen zu haben. Meo arbeitete bei der Polizei. Er wusste, was er tat, und sie konnte ja echt nicht erwarten, dass er seinen Job ihretwegen riskierte. Wegen zwei Mails. Eine andere Frau hatte über tausend bekommen. Hallo! Über tausend, liebe Lou, und bei dir sind nur zwei gelandet! Zwei! Jetzt krieg dich mal wieder ein! Sie griff zum Handy und schrieb Lysander eine SMS. SORRY!!! Soooo sorry!
Danach fühlte sie sich ein wenig besser. Als sie die Wohnung verließ, sperrte sie wie immer sorgfältig ab. Seit gestern konnte sie zumindest sicher sein, dass es tatsächlich nur zwei Schlüssel gab. Das fühlte sich schon mal gut an.
In der Agentur arbeitete sie zügig und konzentriert und drängte so alle Sorgen in den Hintergrund. Sylke hatte die Booklets tatsächlich fertig bekommen und schon wieder Oberwasser. Der erwartete Rückschlag kam, als Jem, Peter und Mike zu einer Besprechung in den Konfi gingen und Lou mit Sylke allein war. »Deine Schadenfreude gestern hättest du dir echt sparen können. Das war total unkollegial. Jeder macht mal Fehler. Du auch. Und dann werde ich über dich lachen.«
Einen Moment lang war Lou versucht, Sylke mal so richtig zusammenzufalten, ihr zu sagen, dass sich nicht immer alles um sie drehte und nicht jedes Wort und jede Geste auf sie gemünzt war, als sei sie der Mittelpunkt des Universums. Doch plötzlich fehlte ihr die Kraft dafür. Sie schaffte es nicht mehr, die Panik zu unterdrücken. Auf einmal war sie wieder da. Lou vibrierte vor Nervosität, als ob elektrischer Strom durch ihre Adern floss und nicht Blut. Sie ignorierte Sylkes Bemerkung, was zur Folge hatte, dass Sylke sich erst recht aufregte. »Dein ganzes abgeklärtes Getue bringt dir nichts. Wirst schon sehen. Heute ist nämlich ein toller Tag. Jedenfalls für mich. Für dich eher nicht.« Mit hochgezogener Braue musterte sie Lou abschätzig.
Was sollte das kryptische Geschwafel bedeuten? Etwa, dass Julian sich wegen der Lehrstelle entschieden hatte? Sylkes Bemerkung gab Lou einen Stich. Wenn es so war, dann war das eben so. Die Lehrstelle wollte sie ohnehin nicht mehr. Sie würde Sylke mit Üps allerdings nicht die Freude machen nachzufragen.
»Schön für dich«, sagte sie deshalb nur, zog den iPod hervor und stöpselte sich die Ohren zu. Das Handy war auf Vibrationsalarm geschaltet. Wenn Lysander ihr eine SMS schrieb, würde sie das also mitbekommen. Lysander! Sein ungläubiger Beoblick . So sorry, Liebster!
Am späten Nachmittag tippte Jem sie an. Lou zog die Kopfhörer raus. »Julian will die Screens für die Website mit dir besprechen.«
»Okay.« Lou trabte in sein Büro. Heute ausnahmsweise mal ohne gemischte Gefühle
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