Dein Blick so kalt
und ohne auf der Hut zu sein. Seit Achim mit ihm gesprochen hatte, benahm sich Julian wie ein anständiger Chef. Er saß am Besprechungstisch, etliche Ausdrucke lagen vor ihm. »Sieht gut aus. Deinen Vorschlag mit der Diashow hast du super umgesetzt. Ich würde die Bilder allerdings kleiner machen. Etwa zwanzig Prozent.« Er sah auf. »Setz dich doch.«
Lou zog einen Stuhl heran und nahm am Tisch Platz. Julians Lob freute sie.
Gemeinsam gingen sie die bereits fertig gestalteten Screens durch. Bis auf den Umbau der Diashow hatte Julian nur kleinere Änderungen. Allerdings rückte er ihr dabei wieder mehr auf die Pelle, als nötig gewesen wäre. Seine Hand berührte wie zufällig ihre. Mehrmals. Jedes Mal zog sie sie weg. Irgendwann bemerkte sie seinen Blick auf ihren Busen. Schlagartig fühlte sich ihr Shirt zu eng an. Langsam und stetig stieg Gereiztheit in ihr auf.
Sie war froh, als sie endlich fertig waren, schob den Stuhl zurück und stand auf. Dabei bemerkte sie ein Dutzend großformatige Fotos, die am anderen Tischende lagen. Ein Mädchen in mehr als knappen Jeanshorts und weit ausgeschnittenem T-Shirt reckte sich lasziv über einen roten Sportwagen und wusch ihn hingebungsvoll mit einem Schwamm. Das Shirt war feucht. Man sah den Busen und die aufgerichteten Brustwarzen. Ein aufgeilendes Spindmotiv. Einfach widerlich. Lou wollte sich abwenden. Doch dann erkannte sie unter all dem Make-up und der aufgestylten Lockenpracht das Model. Es war Sylke. Lou fuhr herum und stieß beinahe mit Julian zusammen, der unbemerkt hinter sie getreten war. »Geile Fotos. Sylke kommt echt scharf rüber. Wir werden die Bilder für den Kalender eines Automobilzulieferers verwenden.«
»Super. Echt.« Es gelang ihr nicht, einen ironischen Tonfall anzuschlagen. Ihre Verachtung und der Ekel, den sie empfand, überdeckten alles.
Sie wollte Julian ausweichen, wollte hier raus. Doch hinter ihr war der Tisch und vor ihr stand er. Er kam sogar noch einen Schritt näher. »Die Fotos habe ich gemacht. Ich würde solche scharfen Bilder auch gerne von dir machen. Magst du?« Seine Hand landete auf ihrer Hüfte. »Du magst. Du bist doch ganz scharf darauf. Gib es doch zu.« Ehe sie sich versah, griff er ihr an den Po und versuchte, sie mit einem Ruck an sich zu ziehen.
In ihrem Hirn spielte sich ein flimmerndes Rauschen ab. Lou sah rot. Im wahrsten Sinne des Wortes. Sie trat nach Julian, schlug seine Hand weg. »Du ekelhaftes Schwein! Nimm deine Dreckspfoten von mir! Such dir eine andere Praktikantin, die du betatschen kannst. Obwohl, du hast ja schon eine, die sich das gefallen lässt. Ich jedenfalls nicht. Das war es.« Sie stürmte aus dem Büro, gefolgt von Julians Lachen. Er schien sich köstlich zu amüsieren. Und doch sah sie die Kälte in seinem Blick, als sie sich noch einmal umdrehte. Kalt wie ein Dolch aus purem Eis.
»Das lasse ich mir nicht gefallen«, rief sie. »Das wird Folgen haben!« Es hatte zornig klingen sollen, doch es kam nur ein erbärmliches Krächzen heraus. Und das machte sie noch wütender.
Im Grafikerzimmer saßen nur Sylke und Jem. Lou raffte ihre Sachen zusammen und stopfte sie in den Rucksack.
»Was ist los?«, fragte Jem.
»Ich gehe. Das war’s. Ich lass mich von diesem widerlichen Schwein nicht länger betatschen. Sylke, du hast gewonnen. Die Lehrstelle gehört dir. Hoffentlich musst du dafür nicht auch noch mit ihm in die Kiste. Obwohl du das vermutlich glatt machen würdest.«
»Wie? Betatschen?« Jem schien keine Ahnung zu haben, was hier ablief.
Sylke legte den Kopf schief und strich sich die Haare über die Schulter. »Schätzchen, man muss auch verlieren können.«
»Stimmt. Aber man sollte darauf achten, was man verliert. Die Selbstachtung besser nicht.« Sie schulterte den Rucksack. »Jem. Wir sehen uns, dann erkläre ich dir das.«
Im Vorübergehen verabschiedete sie sich von Gunda und Franziska, die an der Theke standen. Irgendwie konnte sie ihre Schritte nicht stoppen. Sie wollte hier nur noch raus. »Sorry, Franziska. Es geht nicht. Tschau, Gunda. Ich breche die Zelte ab.« Sie warf die Tür hinter sich ins Schloss, dass es wie Donnergrollen durchs Treppenhaus hallte.
45
Lou trat in die Pedale. Sie war so wütend wie noch nie in ihrem Leben. Alles schien sich gegen sie zu wenden. Wie eine Verschwörung. Julian, dieser Arsch! Und Sylke mit Üps, was für eine selbstgefällige Kuh! Alles ging den Bach hinunter! Pa hatte recht behalten. Sie hatte das Praktikum geschmissen. Er würde
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