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Dein Blick so kalt

Dein Blick so kalt

Titel: Dein Blick so kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Loehnig
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sicher zufrieden grinsen, wenn sie daheim auftauchte. Bei dieser Vorstellung sträubte sich alles in ihr. Und bei der Erinnerung an Julians Hand an ihrem Po, wurde ihr erst recht schlecht. Nicht eine Sekunde länger hätte sie es in der Agentur ausgehalten.
    Tausend Gedanken wirbelten durch ihren Kopf, stechend wie Sandkörner im Sturm. Alles in ihr war ein einziges Chaos. Nichts bekam sie zu fassen. Erst als Bremsen quietschten und ein Lieferwagen einen Zentimeter vor ihr zum Stehen kam, brach der Sturm in ihrem Innersten in sich zusammen. Lous Herz raste. Schockiert blickte sie auf den Fahrer, der sie durchs geöffnete Fenster anschrie: »Rot. Es war rot, du saudummes Madl. Wo hast denn du deine Augen? Oder gelten Verkehrsregeln nicht für dich!«
    Lous Mund war staubtrocken. Sie brachte kein Wort heraus.
    »Jetzt hau ab! Oder willst du hier übernachten!«
    Mit zitternden Knien schob sie das Rad auf den Gehweg. Der Motor dröhnte auf, der Lieferwagen fuhr weiter.
    Okay! So ging das nicht. Sie brauchte eine Pause. Einen Lichtblick. Etwas, das diesem beschissenen Tag einen anderen Dreh geben würde.
    Lysander. Sie sehnte sich so nach ihm.
    Wo war sie eigentlich? Lou sah sich um. Neben einem Springbrunnen entdeckte sie ein Schild. Geschwister-Scholl-Platz. Sie schob das Rad zu einer Bank am Rand des Platzes und setzte sich. Ihr war schlecht. Das Wasser plätscherte. Über den Himmel zogen zwei weiße Wölkchen. Der Verkehr rauschte. Das Leben ging weiter. Es dauerte ein paar Minuten, bis Lou in der Lage war, das Handy aus der Tasche zu ziehen. Bevor sie der Mut wieder verließ, wählte sie schnell Lysanders Nummer. Sie musste jetzt unbedingt sofort seine Stimme hören.
    »Hi Lou.«
    »Hi Lysander.« Danach wusste sie nicht weiter.
    »Alles in Ordnung?«
    Nichts war in Ordnung. Gar nichts. Alles, was schieflaufen konnte, lief auch schief. »Nee. Natürlich nicht. Es tut mir leid… Wegen gestern… Weißt schon. Das war doof von mir. Ich habe keine Ahnung, warum ich so ausgetickt bin.«
    »Ist schon gut.« Seine Stimme war fest. Beruhigend. »Mir tut es auch leid. Offenbar habe ich nicht gerafft, wie sehr dir diese Mails zu schaffen machen. Ich wollte dich auch schon anrufen. Wollen wir uns heute Abend treffen?«
    »Ja, klar.« Ein Felsbrocken, so groß wie ein Berg, rutschte ihr vom Herz und begrub Ärger, Angst und Frust in einer Gerölllawine unter sich. Schlagartig ging es ihr besser.
    »Am Flaucher? Bei unserem Baum?«
    Bei unserem Baum! Sie sah das silbrige Holz vor sich und Lysanders dunkle Augen. »Klingt gut.«
    »Schön. Ich habe übrigens vorher mit Meo telefoniert. Die Anzeige kannst du erst morgen machen. Er hat ziemlich Stress. Deshalb ist er noch nicht dazugekommen, die Festplatte zu kopieren. Dein MacBook wirst du vermutlich auch erst morgen wiederkriegen.«
    »Ist nicht so schlimm. Ich werde zwei Tage ohne überleben.«
    »Und sonst? Du klingst… Ich weiß auch nicht… Geht es dir wirklich gut?«
    Gut nicht. Aber schon wesentlich besser. Allein Lysanders Stimme zu hören, hatte ihr geholfen, sich aus dem Strudel zu befreien, in dem sie unterzugehen drohte. »Geht so. Ich bin nicht mehr bei Döhrig. Ich habe das Praktikum gecancelt. Pa wird sich freuen.«
    »Okay?«, sagte er gedehnt. »Das Praktikum war dir doch so wichtig. Was ist denn passiert?«
    »Julian kann es einfach nicht lassen.« Sie erzählte, was vorgefallen war. Danach war Lysander erst mal eine Weile still. Sie hörte, wie er durchatmete. »Dein Chef ist ein echt mieser Kerl. Das ist momentan schon heftig, was du durchmachst. Was willst du jetzt tun? Zurück nach Straubing oder suchst du dir was Neues?«
    »Ich weiß noch nicht. Eine neue Praktikumsstelle zu finden, ist nicht so einfach.« Aber der Gedanke, nicht reumütig nach Straubing zurückzukehren, gefiel ihr. Sobald sie ihr MacBook wiederhatte, konnte sie im Netz auf Suche gehen und Pa musste das ja nicht unbedingt erfahren. Jedenfalls nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ.
    »Der Vater eines Freundes arbeitet bei der Abendzeitung. Vielleicht würden die dich ja als Praktikantin nehmen. Fragen kostet nichts. Soll ich?«, fragte Lysander.
    »Echt? Das wäre toll!«
    »Wir können das ja nachher am Flaucher bequatschen. Meine Ma wartet auf mich. Ich soll den Virenschutz ihres PCs updaten.«
    »Ja, dann bis später. So um halb sieben?«
    »Okay. Das passt. Ich freue mich. Auf dich!« Lysander legte auf und Lou sah mit einem Lächeln im Gesicht in den blauen Himmel. Für den

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