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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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ihrer Laufbahn gelang ihr das nur mit einiger Anstrengung, und außerdem war sie dafür nicht begabt. Man erzählte, sie sei Anhängerin der Church of Satan geworden, einer schwachsinnigen Sekte, die ein gewisser Anton LaVey erfunden hatte, ihr Oberpriester, ein Kahlkopf mit einem kindischen diabolischen Spitzbart und künstlichen Hörnern auf dem kahlen Haupt, angeblich und fälschlich von ungarischer oder transsylvanischer Herkunft, der ebenfalls nach öffentlicher Aufmerksamkeit gierte und ein triebhafter Hochstapler war: Er nahm für sich in Anspruch, Verfasser der Satanischen Bibel zu sein, eines Plagiats von vier oder fünf völlig ungleichen Autoren, darunter des berühmten Alchimisten der Renaissance John Dee und des Romanciers H. G. Wells, deren Spuren leicht zu erkennen waren; er behauptete, sexuelle Beziehungen mit Marilyn Monroe unterhalten zu haben, und mit der Mansfield sollte es nicht anders gewesen sein. Beide Abenteuer waren Phantasien, aber du weißt ja, die Leute glauben bei Berühmtheiten jede Gemeinheit, alles, was von schlechtem Geschmack ist. Er war verrückt nach ihr, und sie rief ihn manchmal aus Beverly Hills an, im Beisein von Freunden, um seine dämonische Leidenschaft zu verlachen und zu verspotten, sie brachte seinen rasierten Kopf noch von ferne in Wallung. Später kam das Gerücht auf, daß der abgewiesene LaVey ihren damaligen Liebhaber, einen Anwalt namens Brody, mit einem Fluch belegt habe, und hier beginnt die Legende von Jayne Mansfields Tod. Sie fuhr in einer Juninacht 1967 bei Tagesanbruch von einem Ort namens Biloxi, in Mississippi, wo sie in einem Klub in Vertretung ihrer üppigen Freundin und Rivalin Mamie van Doren aufgetreten war, Richtung New Orleans, wo sie am nächsten Tag in einem lokalen Fernsehsender interviewt werden sollte, sie nahm alles mit, nichts erschien ihr zu unbedeutend. Der Buick, in dem sie fuhr, war übervoll: ein junger Mann am Steuer, dazu der besagte Brody, sie mit drei ihrer fünf Kinder, denjenigen, die vom muskulösen Ungarn stammten, und vier Chihuahua-Hunden, kein Wunder, daß sie einen Unfall bauten. Ungefähr zwanzig Meilen vor ihrem Ziel rammte der Wagen mit großer Geschwindigkeit einen Lastwagen, der gebremst hatte, weil er auf ein langsames Fahrzeug der Gemeinde gestoßen war, das die Sümpfe mit einem Insektenvertilgungsmittel gegen Mücken besprühte, Mulryan betont immer dieses schäbige, sumpfige, südliche Detail. Der Zusammenprall war so heftig, daß das Dach des Buick abrasiert wurde. Mansfield, der Fahrer und der Liebhaber waren sofort tot, ihre Körper wurden auf die Straße geschleudert. Die drei Kinder, die auf dem Rücksitz schliefen, trugen nur Quetschungen davon, von den Chihuahuas wurde nichts berichtet, sicher, weil ihnen nichts passiert ist, vielleicht sind sie entwischt.« Tupra machte eine Pause, warf etwas ins Feuer, unsichtbar für mich, vielleicht einen Fussel, den er vom Jackett gepflückt hatte, oder ein Streichholz, das ich ihn nicht hatte anzünden sehen und das er zwischen den Fingern hielt. Er erzählte alles, als sei es ein Bericht, den er auswendig im Kopf hatte. Mir kam der Gedanke, daß er aufgrund seines Berufs Hunderte oder Tausende solcher Berichte im Kopf haben konnte, über das, was geschehen, und das, was möglich war, über das, was bewiesen war und was bloß vermutet wurde, nicht nur von ihm, sondern auch von mir, von Pérez Nuix, Mulryan, Rendel und anderen; und von noch anderen aus der Vergangenheit wie Peter Wheeler und wer weiß ob von dessen Frau Valerie und Toby Rylands und sogar von Frau Berry. Vielleicht war Tupra ein wandelndes Archiv. »Die imposante blonde Perücke von Jayne Mansfield landete auf dem Kotflügel«, fuhr er fort, »was zwei gleich unangenehme Gerüchte zur Folge hatte, die sich wahrscheinlich deshalb in der Phantasie der Leute festgesetzt haben: dem einen zufolge war die Schauspielerin bei dem Unfall skalpiert, ihr die Kopfhaut gewaltsam abgerissen worden wie von einem Indianer im Wilden Westen; dem anderen zufolge war sie zusammen mit dem Dach des Buick enthauptet worden, und der Kopf war über den Asphalt gerollt, bis er in einem von Mücken und Larven wimmelnden Sumpfgelände neben der Straße liegenblieb. Keiner dieser beiden Vorstellungen konnte die boshafte Öffentlichkeit widerstehen: nicht genug damit, daß die Frau, deren Üppigkeit ein Jahrzehnt lang die Wände der Garagen, Werkstätten und Kaschemmen, die Lastwagen und die Spinde von Studenten und Soldaten

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