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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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auch nicht viel für meinen wieder aufgestiegenen Ärger), woher die Postkarte gekommen war. Einige Augenblicke lang hatte ich sogar aus den Augen verloren, was dieses Foto hier zu suchen hatte und wozu er und ich überhaupt hierwaren. Es war kein Abend, an dem es etwas zu lachen gegeben hätte, und doch hatten wir gemeinsam gelacht, kurz nachdem er sich in Sir Punishment verwandelt hatte. Oder in Gevatter Rache, vielleicht Sir Revenge . Doch wofür hatte er sich in diesem Fall gerächt, er hatte sich übertrieben, drastisch verhalten: wegen einer Kleinigkeit, einer Dummheit.
    Ich gab ihm die Postkarte zurück, er stand neben meinem Sessel und schaute mir über die Schulter, wie ich die beiden Schauspielerinnen oder vergangenen Sexsymbole anschaute – eines sehr viel ferner als das andere – und teilte oder betrachtete eher mein unerwartetes Amüsement.
    »Was ist mit Jayne Mansfield?« fragte ich. »Was hat sie mit Kennedy zu tun? Präsident Kennedy, nehme ich an. War sie auch seine Geliebte? Heißt es nicht von Marilyn Monroe, daß sie mit ihm zusammen war, gab es da nicht irgendeine Geschichte von einem sinnlichen Geburtstagsständchen? Die Mansfield war doch sicher ein Imitat, oder?«
    »O ja, da gab es mehrere«, antwortete Tupra, während er das Foto in den Umschlag, den Umschlag in den Kasten und den Kasten auf das Regal zurücktat, alles der Reihe nach. »Sogar in England hatten wir eine, Diana Dors, du wirst dich nicht an Diana Dors erinnern, oder? Sie war fast nur für den Binnenmarkt bestimmt. Sie war gröber, wenn auch nicht häßlich und auch keine schlechte Schauspielerin, mit einem etwas dummen Gesicht und zu dunklen Augenbrauen für ihre platinblonde Mähne, ich weiß nicht, warum sie ihr nicht alles gleich färbten. Ich kannte sie, als sie schon in den Vierzigern war; wir liefen uns immer wieder mal in den angesagten Bars in Soho über den Weg, Ende der sechziger Jahre oder Anfang der siebziger, damals wurde sie schon langsam zur Matrone, sie hatte immer ihre Ausflüge in die Bohème gemacht, sie glaubte, das würde sie verjüngen oder moderner machen. Ja, sie war gröber als Mansfield und auch etwas undurchsichtiger, weniger herzlich«, fügte er hinzu, als hätte er es einen Augenblick lang abgewogen. »Aber wenn sie ebenfalls an dem Tisch gesessen hätte, den die Postkarte zeigt, dann weiß ich nicht, wer wen erschreckt hätte. In ihrer Jugend hatte sie die Figur eines Stundenglases.« Er machte mit den Händen die alte Bewegung vieler Männer, um eine kurvenreiche Frau nachzuzeichnen, ich glaube, die Coca-Cola-Flasche hat diese Zeichnung in die Luft imitiert und nicht umgekehrt. ›She had an hourglass figure‹, sagte Tupra auf englisch. Lange schon hatte ich niemanden mehr diese Geste machen sehen, auch sie geraten außer Gebrauch wie die Wörter, weil sie fast immer ein Ersatz für sie sind und deshalb ihr Schicksal teilen: tatsächlich sind sie ein Sagen ohne Worte, zuweilen mit Gewicht, und waren einst Anlaß zum Duell, noch immer sind sie es zu Herausforderung und Tod. Und so spricht man selbst dann noch, wenn man nichts sagt, man bezeichnet und erzählt, was für ein Fluch; hätte ich in Gegenwart von Manoia mein Kinn zwei- oder dreimal nacheinander mit dem Handrücken berührt, so hätte er das als italienische Gebärde der Verachtung oder der tauben Ohren gegenüber dem Gesprächspartner verstanden und sein Schwert gegen mich gezogen, wenn auch er eines verborgen bei sich trug, wer konnte das wissen, neben ihm wirkte Reresby vernünftig und zahm.
    Ja, Tupra zerstreute mich mit seinen Anekdoten, mit seiner Unterhaltung, oder es war eher Gerede. Ich war noch immer wütend, obwohl ich es ab und zu vergaß, und ich wollte es ihm zeigen, Rechenschaft von ihm fordern für sein brutales Vorgehen, regelrechter und ernsthafter als bei unserem falschen Abschied vor meiner Haustür an dem Square oder Platz, doch er führte mich von einem zum anderen, ohne sich ganz auf eine Sache zu konzentrieren, ohne zum Kern dessen zu kommen, das zu hören er mir angekündigt oder fast aufgezwungen hatte, ich zweifelte, daß er mir am Ende irgend etwas über Konstantinopel oder Tanger erzählen würde, er hatte diese Orte erwähnt, als er am Steuer saß, er hatte sich auf die Geschichte des Mittelalters spezialisiert, wer hätte das geahnt, damals in Oxford, und auf diesem Gebiet mochte er tatsächlich ein beflissener Student von Toby Rylands gewesen sein, der gegen seinen Willen für kurze Zeit Toby Wheeler

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