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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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geschmückt hatte, im Alter von vierunddreißig Jahren eines sehr gewaltsamen Todes gestorben war, als sie trotz ihres rapiden Verfalls noch begehrenswert war und größeren Profit aus ihrer Pracht hätte schlagen können; viel besser noch, sie war im Tod kahl und häßlich oder auf groteske Weise geköpft worden, und ihr Kopf war im Morast gelandet. Den Leuten gefallen grausame Bestrafungen und sarkastische Schicksalswendungen, und sie genießen es, wenn jemand, der alles hatte, es plötzlich verliert, ganz zu schweigen von dem absoluten Verlust, den der unerwartete Tod darstellt, umso mehr, wenn er blutig ist.«
    ›Warum erzählt er mir ausgerechnet von abgeschlagenen Köpfen‹, dachte ich, ›wo er eben erst im Begriff gewesen ist, vor meinen Augen einen abzuschneiden?‹ Und ich dachte, daß Tupra mich mit dieser schaurigen Geschichte an irgendeinen Ort führte, der näher war als New Orleans und Biloxi. Aber ich unterbrach ihn nicht mit Fragen und beschränkte mich darauf, ihn mit jenem Ausspruch zu zitieren, der seit unserer ersten Begegnung wohlbekannt war:
    »Und außerdem hat alles seine Zeit, um geglaubt zu werden, ist es nicht das, was du denkst?«
    »Du kannst dir nicht vorstellen, Jack, wie sehr das für alles gilt«, antwortete er und nahm dann sofort seine Erzählung wieder auf. »Damals, nach ihrem Tod, fing LaVey an, mit seinem Abenteuer mit ihr öffentlich anzugeben (du weißt ja, die Toten sind stumm und erheben keine Einwände) und in der Presse zu verbreiten, der spektakuläre Unfall sei auf den Fluch zurückzuführen, mit dem er ihren Liebhaber Brody belegt habe und der so mächtig gewesen sei, daß er sie ohne jede Rücksicht mitgerissen habe, da sie riskanterweise an seiner Seite saß. Und die Leute lieben ja Verschwörungen und Abrechnungen, das Esoterische und Abwegige und die Wirklichkeit gewordenen Gefahren. Die meisten Leute leugnen den Zufall, sie hassen ihn, die meisten Leute sind dumm.« Ich erinnerte mich, daß ich aus Wheelers Mund etwas Ähnliches gehört hatte, vielleicht war das eine der Überzeugungen, eines der Fundamente, mit denen unsere Gruppe immer gearbeitet hatte, wie auch jede Regierung. »Wenn Jayne Mansfield ausgerechnet von der Kirche des Satans fasziniert gewesen war oder mit ihr kokettiert hatte, dann war kaum etwas Seltsames daran, daß ihr anmutiges Haupt ein solches Ende fand, in einem Sumpf und angeknabbert von Insekten, bis man es endlich bergen konnte; oder daß ihre berühmte platinblonde Mähne vom Schädel getrennt worden war, sie war immer ihr zweitwichtigstes Attribut nach dem, was auf der Postkarte, die ich dir gezeigt habe, so hervorsticht. Der Pöbel will für alles eine Erklärung.« Tupra benutzte dieses Wort, ›rabble‹, ›Pöbel‹, das heute so schlecht angesehen ist. »Aber er will, daß diese Erklärung lächerlich ist, unwahrscheinlich, wirr und konspirativ, und je mehr sie es ist, umso eher akzeptiert er sie und schluckt sie und umso mehr befriedigt sie ihn. Unbegreiflich, aber das ist der Stil der Welt. Und so hörte man dieser kahlen Witzfigur mit ihren Hörnern zu und glaubte ihr, was so weit ging, daß bei denen, die sich an Jayne Mansfield erinnern und sie noch immer verehren (es sind nicht wenige, wirf einen Blick ins Internet, du wirst erstaunt sein), ihr wichtigstes Erbe nicht ihre vier oder fünf lustigen Hollywood-Komödien sind, auch nicht ihre beiden spektakulären Playboy -Titelbilder oder ihre gewollt zügellosen Skandale oder ihr in irrem Rosa gehaltenes Anwesen am Sunset Boulevard, nicht einmal die Kühnheit, als erster Filmstar überhaupt in einem konventionellen amerikanischen Film die Brüste gezeigt zu haben, sondern die düstere Legende ihres Todes, der demütigend war für ein Sexsymbol wie sie und den womöglich gar ein Satanist, ein verkommenes Subjekt, ein Hexer herbeigeführt hatte. Das erregte ironischerweise mehr Aufsehen und brachte ihr mehr Öffentlichkeit als alles, was sie im Lauf ihres Lebens angestellt hatte, um sie zu bekommen, indem sie tagtäglich ihre Privatsphäre preisgab und erst recht das, was die erdrückende Mehrheit der Menschen Würde nennt. Es ist jammerschade, daß sie nicht die tausend Reportagen genießen konnte, die zu ihrer Person und zu dem Ereignis erschienen, daß sie nicht die ganzseitigen Artikel sehen konnte, die ihrem so schrecklichen, romanhaften Ableben gewidmet waren. Es nützte nichts, daß der Sarg, in dem sie beigesetzt wurde, ebenfalls rosafarben war: Ihr Name war längst in

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