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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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sagte ich. ›Vielleicht ist der Mann anders zu Frauen, wenn sie keine Nutten sind. Wenn er mehr als eine Nacht hat, zeigt er sich vielleicht von einer anderen oder sogar ganz entgegengesetzten Seite, just um sie sich zu sichern, die weiteren Nächte. Oder glaubst du, dieses dunkle Etwas besteht darin, daß er sie alle verprügelt? Das kann ich mir nicht vorstellen. So etwas wäre herumerzählt worden, das hätte man erfahren, die Frauen hätten einander vor ihm gewarnt. Ihr Frauen erzählt euch doch solche Sachen, oder?, Einzelheiten meine ich. In Spanien zumindest. Was hat sie dir denn von ihm erzählt? Ist sie verliebt, in ihn verschossen? Hibbelig, abhängig, unkonzentriert, fühlt sie sich geschmeichelt? Wie ernst ist es ihr? Verliebt kann ja wohl nicht sein. Und woher kennt sie ihn überhaupt, wo kommt er her.‹ Vielleicht hatte mich die Information dieses Ranz in größere Aufregung versetzt als alles andere, Luisas schwarzes Auge eingeschlossen, inzwischen war es schon gelblich. ›Was hat dir dieser Freund noch erzählt?‹
    ›Nichts sehr Gutes, abgesehen davon, daß er als Maler hervorragende Arbeit leistet. Seiner Meinung nach ist er nicht ganz koscher, man sollte ihm auf keinen Fall vertrauen. Und er ist keiner von denen, die sich verlieben, oder war das jedenfalls früher nicht, das hat er mir gesagt. Aber wer weiß, auf diesem Gebiet ändern sich die Leute von einem Moment zum nächsten. Als er hörte, daß meine Schwester mit ihm ausgeht, sagte er: ›Ouuh‹, wie wenn man ein Unglück voraussieht. Deshalb habe ich ihn ja so ausgefragt, und wegen des angeblichen Sturzes gegen diesen Pfosten und der Schnittwunde, die mich Böses ahnen ließen. Ich habe ihn sogar geradeheraus gefragt, ob er glaubt, daß Custardoy fähig wäre, eine Frau zu schlagen.‹ Und Cristina verstummte, als hätte sie eine Anzahl zusammengehörender Sätze abgeschlossen.
    ›Und was hat er geantwortet? Sag schon.‹
    ›Nichts Abschließendes, aber na ja. Er hat kurz darüber nachgedacht und dann gesagt: »Ich denke schon. Mir ist nicht bekannt, daß er das getan hätte, ich habe nichts Derartiges gehört, und er würde es mir sicher nicht erzählen. Mit so etwas gibt niemand an. Aber ich denke schon, daß er dazu fähig wäre, auf jeden Fall.« So sieht es also aus. (Natürlich mag Ranz ihn nicht besonders, und man darf seine Aussagen nicht als die reine Wahrheit nehmen.) Und dann hat er mir das mit den Nutten erzählt; tja, und soweit ich verstanden habe, ging es da nicht nur um Nutten. Jetzt kommst du damit an, daß Luisa noch einen Schlag abbekommen hat, von dem sie mir kein Wort gesagt hat. Wenn sie sich an einer Tür gestoßen und deswegen ein blaues Auge hätte, dann wäre es normal, daß sie mir davon erzählt, wir haben uns in letzter Zeit nicht gesehen, aber telefoniert schon. Dir wiederum hat sie nichts von dem Pfosten gesagt. Ich weiß nicht, ich mache mir wirklich große Sorgen. Und weißt du, Jaime, Luisa mag nicht dumm sein, aber du hast sie nur in einer stabilen Lebenssituation kennengelernt, mit dir. Bis auf die letzten Monate, bevor du gegangen bist, ja, aber es gab einen Rest Stabilität, solange du noch in derselben Wohnung warst, eine Art Aufschub, einen Stillstand. Und wie lange bist du jetzt weg, seit neun Monaten, zwölf, fünfzehn? Das ist für den, der bleibt, eine lange Zeit, mehr als für den, der gegangen ist. In so einer Lage kennen wir sie nicht, weder du noch ich, vor der Zeit mit dir war sie noch sehr jung. Menschen sind unberechenbar, wenn sie sich trennen. Der eine sperrt sich zu Hause ein und will niemanden sehen, der andere rennt los und springt in jedes Bett, das ihm offensteht. Der eine tut erst das eine, dann das andere oder erst das andere und dann das eine, ich wüßte ja gerne, was für Dummheiten du in London treibst, so ungebunden und ohne familiäre Verpflichtungen. Natürlich gibt es auch weniger extreme Verhaltensweisen. Luisa wird nicht losgerannt sein, allein schon, weil sie die Kinder hat. Aber sie wird sich auch nicht damit begnügt haben, ins Kissen zu weinen. Bestimmt ist sie ein wenig ungeduldig, ein wenig träumerisch, zum mindesten wird sie neugierig sein, einen anderen Mann kennenzulernen, herauszufinden, wie das wird, und Neugier führt zu einer Menge Unfug und dazu, daß man sich so lange darauf ausrichtet, bis die Neugier vorüber ist. Offen gesagt, hat sie mir nicht viel erzählt, wie sie sich fühlt, meine ich, oder was sie sich erhofft; vielleicht erhofft sie sich

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