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Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied

Titel: Dein Gesicht morgen 03 - Gift und Schatten und Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marias
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kommen, mir lieber doch nichts zu erzählen. Das konnte ich am allerwenigsten gebrauchen, ich war ganz und gar auf sie angewiesen, und ohne es zu wollen, hatte sie mir schon viel gegeben, ich hatte sie dazu nicht einmal aushorchen müssen.
    ›Offen gestanden ganz wenig, so gut wie nichts‹, gab ich zu. ›Luisa findet, daß es mich nichts mehr angeht, was sie tut, und im Prinzip hat sie auch recht. Aber ich habe sie gestern kurz gesehen, ich war dort, um die Kinder zu besuchen, sie wollte mir aus dem Weg gehen und war fort, bevor ich ankam, aber ich habe auf sie gewartet, es hat Stunden gedauert, ich weiß nicht, wohin sie gegangen ist, sie hat mich mit der Babysitterin allein gelassen, und ich glaube, sie ist mir aus dem Weg gegangen, weil ihr Gesicht ziemlich übel zugerichtet war, sie wird nicht gewollt haben, daß ich sie so sehe. Sie behauptet, sie hätte sich an der Garagentür gestoßen, aber sie hat ein blaues Auge, wenn du mich fragst, hat ihr jemand eins mit der Faust verpaßt, und das macht mir nicht nur Sorgen, das ist eine Katastrophe, und außerdem geht es mich sehr wohl etwas an, das ist doch klar. Genau wie wenn du geschlagen worden wärst oder eine Freundin. Weißt du denn etwas davon?‹
    ›Nicht wie wenn ich geschlagen worden wäre, Jaime, für mich interessierst du dich doch gar nicht.‹ Meine Schwägerin war harsch genug, um mir erst dies zu antworten. Dann schlug sie einen anderen Ton an und sagte wie zu sich selbst: ›Also schon wieder, das kann ja wohl nicht wahr sein. So kann das nicht weitergehen.‹
    ›Schon wieder? Ist das schon mal vorgekommen?‹
    Cristina antwortete mir nicht sofort. Sie machte eine Pause, sie schien sich auf die Lippen zu beißen und etwas abzuwägen. Doch ihr Zögern dauerte nur einen Augenblick.
    ›Luisa zufolge nicht, sie sagt, da sei noch nie etwas gewesen, weder was du vermutest noch was ich vermutet habe. Paß auf, ich erzähle dir das, weil ich mir Sorgen mache, und erst recht nach dem, was du mir gerade gesagt hast, das wußte ich nicht, ich habe Luisa das letzte Mal vor zwei Wochen gesehen, und sie hat keine großen Anstrengungen unternommen, noch vor meiner Reise ein Treffen zu arrangieren, wahrscheinlich setzt sie darauf, daß nach meiner Rückkehr nichts mehr zu sehen ist und ich sie nicht ausfragen kann. Aber ich glaube, sie wäre alles andere als begeistert darüber, daß ich das mit dir bespreche. Wenn sie mir das nicht ausdrücklich untersagt hat, dann nur, weil sie gar nicht auf die Idee gekommen ist, daß wir in Kontakt sein könnten. Ich, ehrlich gesagt, auch nicht. Wußte sie, daß du kommst?‹
    ›Nein, ich habe ihr erst Bescheid gesagt, als ich schon in Madrid war, erst gestern. Ich wollte, daß es eine Überraschung für die Kinder wird.‹
    ›Dann hatte sie keine Zeit, sich darauf vorzubereiten‹, überlegte sie, ›oder an mögliche Indiskretionen zu denken. Bestimmt will sie noch nicht einmal, daß du erfährst, daß sie mit diesem Mann ausgeht.‹
    ›Und was hast du eigentlich vermutet?‹
    ›Na ja, angeblich ist sie vor etwa zwei Monaten auf der Straße ausgerutscht und im Fallen gegen einen dieser Metallpfosten geknallt, die die Stadtverwaltung überall aufstellen läßt. An sich ist das ja nicht verwunderlich, die Stadt ist voll von den Dingern, Poller heißen sie, glaube ich, man muß ständig achtgeben, daß man sich nicht die Knie ramponiert. Hat sie das dir gegenüber nicht erwähnt?‹
    ›Nein, mit keinem Wort. Dabei sprechen wir mindestens einmal in der Woche.‹
    ›Also, ein Anlaß wäre es schon gewesen. Sie hatte sich einen ganz schönen Schnitt zugezogen. Eine oberflächliche Verletzung, aber sie ging von der Nase bis zur Mitte der Wange, ziemlich auffällig.‹ ›Uno sfregio‹, dachte ich, sofort kam mir das neu gelernte Wort in den Sinn, ›ein Schmiß.‹ ›Dazu hatte sie eine Schürfwunde am Kinn. Was sie mir da erzählt hat, konnte ich nicht ganz glauben, und es sah auch mehr nach einer Kratzwunde aus oder nach einem Peitschenhieb oder einem Schlag ins Gesicht, ich kenne das, eine alte Bekannte von mir hat vor Jahren nämlich einige Prügel bezogen; später hat ihr Mann sie dann umgebracht, da hatte ich schon keinen Umgang mehr mit ihr, immerhin ist mir das erspart geblieben.‹ Ich klopfte instinktiv auf Holz. ›Jedenfalls habe ich sie geradeheraus gefragt, ob Custardoy sie angefaßt, ob er ihr vielleicht eine gewischt hätte. Sie hat das abgestritten, ich sei wohl verrückt, was mir denn einfallen würde.

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