Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
Vom Netzwerk:
gegen weiche Brust –, wenn sie keiner wachhielt: sie war bereit für ihren gerechten Schlaf, die Halskette könnte ihr aufgehen, die Schnitze sich tief in ihrem Ausschnitt verlieren. Ich sah abermals Erwiderung in Peters Augen, ich meine, auf Tupras Augen, als tadelte er ihn ein wenig, sehr wenig, mit geringem Nachdruck, so wie man auf eine begangene Unvorsichtigkeit anspielt, die letztlich nicht schwerwiegend war: ›Du hast übertrieben, aber na ja. Du hast nicht auf mich gehört‹, so schien mir die Botschaft zu lauten, wenn es sie überhaupt gab. Danach ging Tupra um das Sofa herum, bis er dahinter stand, beugte sich herunter und stützte die Unterarme auf die Rückenlehne, um dem jungen Richter Hood etwas – einen einzigen Satz – rasch ins Ohr oder fast an seinen Hals hin zu sagen, es war nicht vertraulich, nehme ich an. Er und Beryl hörten zu lachen auf, sie drehten sich um, um ihm zuzuhören, sie schaute erneut mechanisch auf die Uhr, wie jemand, der nur darauf wartete, gerettet oder vielleicht abgelöst zu werden, stellte ihre langen, unbedeckten Beine wieder nebeneinander. ›Diese drei werden zusammen aufbrechen, sie werden gleichzeitig gehen‹, sagte ich mir. ›Tupra wird den Dicken mit nach London nehmen. Oder Beryl, falls sie fährt.‹
    »So wahr ich Rafael de la Garza heiße – eine dieser Schlampen wird mir heute abend nicht lebend entkommen. Ich bin nicht hergepilgert, um mit leeren Händen abzuziehen, scheißenochmal. Heute geht’s ab, über meine Leiche.«
    Der Mann mit dem Vogelnamen schenkte mir keine Sekunde, ich hatte mich kaum von Tupra getrennt, als er schon wieder anfing. Mir fiel ein Sprichwort ein, das unverständlich war, wie fast alle.
    »Der Reiher kann noch so hoch fliegen, der Falke tötet ihn.« Ich ließ es vom Stapel, ohne zu überlegen, so wie es mir kam.
    »Was? Was? Was zum Teufel hast du gesagt?«
    »Nichts.«

D e la Garza zog mit leeren Händen ab, scheißenochmal, zumindest brach er nur in Begleitung des unseligen Bürgermeisters irgendeiner Ortschaft in Oxfordshire und dessen vermutlicher Ehefrau auf, und die schienen nicht zur Vermischung zu neigen (auf die Frau hatte ich bislang gar nicht geachtet, sie dürfte das Elend des von ihnen regierten Ortes kaum ausgleichen) und vor allem nicht das Alter dafür zu haben, der Attaché hatte nicht aufgepaßt, und jetzt mußte er sie in seinem Wagen mitnehmen, wohin auch immer, nach Eynsham, Bruern, Bloxham, Wroxton oder vielleicht zu dem Ort mit dem schlimmsten Ruf seit dem Elisabethanischen Zeitalter, Hog’s Norton, ich weiß es nicht. Er war in der denkbar schlechtesten Verfassung, um zu fahren (und das Steuer rechts), aber es war ihm wahrscheinlich einerlei, daß man ihm eine Strafe verpassen könnte, er gehörte zu diesen selbstgefälligen Typen, denen nicht einmal durch den Kopf geht, daß sie einen Unfall bauen könnten. Dagegen ging dies Wheeler durch den Kopf, und er äußerte seine Besorgnis, er fragte sich, ob er die drei nicht heute bei sich übernachten lassen sollte. Ich brachte ihn von der bloßen Idee ab, trotz der sichtlichen Furcht des Labour-Mannes und seiner Labour-Frau, die davon sprachen, ein Taxi zu nehmen bis nach Ewelme oder Rycote oder Ascot, ich weiß nicht. Es sei keine lange Strecke, sagte ich, und De la Garza sei jung, mit zweifellos fabelhaften Reflexen, ein Leopard. Das Letzte, worauf ich mich einrichten wollte, war, beim Frühstück erneut mit dem Liebhaber oder Experten für schicke universale mittelalterliche phantastische Literatur zusammenzutreffen, mit dem Herrn der Schlampen, und mir war es höchstens zweierlei, daß er einen Unfall baute.
    Und es brachen auch die drei zusammen auf, von denen ich es angenommen hatte, sie gehörten zu den ersten, die gingen. Zum Glück für Sir Peter Wheeler war der einzige, der sich bis nach zwölf nicht von der Stelle rührte, Lord Rymer the Flask , nicht, weil er besonders animiert oder wach gewesen wäre, sondern weil er absolut unfähig war, den einen oder den anderen Fuß zu bewegen. Doch das stellte kein allzu großes Problem dar, da dieses Gefäß in Oxford lebte. Frau Berry rief ein Taxi, und sie und ich gemeinsam brachten die schwere, alkoholisierte Flasche dazu, den Sessel zu räumen, in den er sich in der Mitte des Abends hatte fallen lassen, und bugsierten ihn mit diskretem Geschiebe (eine unmöglich eilig zu bewältigende Aufgabe) bis zur Tür, unter der Aufsicht und Führung von Peters Stock; die Mithilfe des Taxifahrers, um ihn

Weitere Kostenlose Bücher