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Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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war jemals unbeschädigt aus ein paar mit der »Flasche« gehobenen Gläsern hervorgegangen.
    »Es wird besser sein, wenn Sie auf Ihren Landsmann oder Freund hören«, sagte Tupra mit einer Spur paternalistischen Spottes in der Stimme, »er wird nervös wegen der Frauen, und sein Englisch ist ihm bei dem Unterfangen nicht behilflich. Sie sollten ihm beistehen. Ich glaube nicht, daß er bei Mrs. Wadman, der verwitweten Dekanin, was erreicht« – er benutzte einen rechtlichen oder ironischen Begriff, dowager, für das Wort »Witwe« –, »ich habe ihr zuvor ein paar Komplimente gemacht, die sie nicht nur für den ganzen Abend verschönt haben, sondern ihr auch das Gefühl gegeben haben, wie soll ich sagen, unerreichbar zu sein, ich glaube nicht, daß sie sich heute abend zu irgendeinem Lebenden herabläßt, sehen Sie nicht, wie hoch sie über den irdischen Leidenschaften schwebt, wie schön sie ist in ihrem September, wie ruhig sie dem unbekannten Herbst entgegengeht? Er sollte es eher bei Beryl probieren, obwohl sie sehr abgelenkt ist und wir schon bald werden gehen müssen, wir müssen im Auto bis nach London fahren. Oder bei Harriet Buckley, sie ist Doktor der Medizin, und ich glaube, sie ist vor einigen Tagen geschieden worden, ihr neuer Personenstand könnte sich fördernd auf ihre Forschungsarbeit auswirken.«
    Es lag nicht nur Humor in diesen Äußerungen, sie drückten so etwas wie naive Genugtuung aus, ein wenig Literatur; und in den blassen Augen lag nicht nur sein natürlicher oder unbewußter spöttischer Ausdruck, sondern es war auch Vergnügen aufgeflammt, eines, das beabsichtigt war. In diesem Augenblick begriff ich, daß er um seine Macht wußte, die Frauen zu überzeugen und ihnen das Gefühl zu geben, womöglich kleine Göttinnen oder aber leere Hüllen zu sein. Oder ich dachte eher, in diesem Augenblick, daß er zu wissen glaubte oder daß alles bloßer Scherz war, denn ich hatte noch nicht festgestellt, wie hoch ich ihn schätzte. Er hatte die verwitwete Dekanin mit seinen Komplimenten verschönt, das war nicht wenig, und er mußte sich Beryls Ergebenheit oder Bedingungslosigkeit sehr sicher sein, um so von ihr sprechen zu können, wie von einer alten Kumpanin oder einer früheren Flamme, um einen englischen Ausdruck zu benutzen, die theoretisch frei war, bei einem vorletzten Glas oder einem letzten Lachen schwach zu werden.
    »Ich wußte nicht, daß die Witwe des Dekans von York Mrs. Wadman heißt«, brachte ich als ganze Antwort zustande.
    Tupra lächelte abermals breit, seine üppigen Lippen wurden maßvoller, wenn er es tat, sie sahen nicht so feucht aus.
    »Na ja, das müßte der Name sein, da sie Witwe ist und aus York, glaube ich.« Dann warf er einen Blick in die Runde, als hätte ihn die Erwähnung seines baldigen Aufbruchs zur Eile angetrieben. Er schaute auf die Uhr, er trug sie rechts. »Ich bitte Sie, mich jetzt zu entschuldigen, ich überlasse Sie Ihrem Landsmann. Ich muß mit Richter Hood sprechen, bevor ich gehe. Es war mir ein Vergnügen, Mr. Deza, ich versichere es Ihnen.«
    »Mr. Tupra: ganz meinerseits«, antwortete ich.
    Zum Beweis seiner englischen Art drückte er mir nicht die Hand zum Abschied, in England ist es normal, daß es zwischen förmlichen Personen nur einmal zu diesem Kontakt kommt, nur bei der Vorstellung und später dann nie wieder, auch wenn bis zur nächsten Begegnung zwischen zwei Menschen Monate oder Jahre vergehen. Mir gelang es nie, mich zu erinnern, eine Sekunde lang blieb meine Hand leer.
    »Da ist noch etwas, Mr. Deza«, fügte er hinzu, während er auf den Fersen wippte, nachdem er einen Schritt zurückgetreten war. »Ich hoffe, Sie halten mich nicht für indiskret, aber wenn Sie der BBC wirklich überdrüssig sind und einen Tapetenwechsel wünschen, könnten wir darüber sprechen und sehen, ob wir etwas tun können. Mit Ihren guten, nützlichen Kenntnissen … Sprechen Sie mit Peter, fragen Sie ihn, was er meint, beraten Sie sich mit ihm, wenn Sie möchten. Er weiß immer, wo er mich finden kann. Guten Abend.«
    Er richtete einen Moment seinen Blick auf Wheeler bei seiner Erwähnung, und ich tat es ihm nach. Dieser zog knausrig an seiner Zigarre und versuchte, die Witwe Wadman mit einem verborgenen, aber fest gegen ihre Rippen gedrückten Ellenbogen aufrecht zu halten, die Schläfrigkeit ließ sie zur Seite sinken, sie würde jeden Augenblick besiegt mit dem Kopf auf der Schulter ihres Gastgebers landen – oder noch unbequemer, weiche Brust

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