Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze
spanisch, je nach den Zitaten. Es würde mich hart ankommen, alles wieder an seinen Platz zu bringen, es so zurückzulassen, wie es vor diesen chaotischen, unvorhergesehenen nächtlichen Studien gewesen war.
»Barcelona, 17., vier Uhr nachmittags«, begann der erste und kürzeste Teil der Nachricht. »Die Polizei verhaftete mehrere führende Persönlichkeiten der POUM, darunter Jorge Arques, David Pérez, Andrade und Ortiz. Nin, der gestern festgenommen wurde, wurde nach Valencia gebracht.« Unterzeichnet war sie mit »Febus«, offensichtlich ein weiteres Pseudonym. Im zweiten Teil hieß es: »Barcelona, 17., 12 Uhr nachts. Während des heutigen Tages nahm die Polizei weitere Verhaftungen führender Persönlichkeiten der POUM vor. Wie bereits bekannt, wurde der angesehenste Führer dieser Partei, Andrés Nin, vor einigen Tagen festgenommen und von der Regierungsvertretung in Katalonien nach Valencia gebracht, von wo aus er die Reise nach Madrid antrat. Danach wurden etwa vierzehn Verhaftungen vorgenommen, darunter die des Direktors des Parteiorgans Batalla und einiger Redakteure dieser Tageszeitung. Werkstätten, Redaktion und Verwaltung der besagten Zeitung wurden von den Behörden beschlagnahmt. Aufgrund der Aussagen der Festgenommenen wurden weitere Nachforschungen angestellt, die zur Verhaftung von noch einmal fünfzig Personen führten. Sie wurden in die Regierungsvertretung in Katalonien gebracht. Unter den Verhafteten befinden sich mehrere außergewöhnlich schöne Frauen mit ausländischer Staatsangehörigkeit . Diese Maßnahme wurde von Angehörigen der Kriminalpolizei mit Unterstützung von Polizisten des Überfall- und Sicherheitskommandos durchgeführt. Sie beschlagnahmten sämtliche Lokale dieser Organisation in Barcelona und befaßten sich eingehend mit den Unterlagen, die von fünfundzwanzig speziell geschulten Polizisten in den Archiven vorgefunden wurden. In einem Landhaus in San Gervasio, das Eigentum von Beltrán y Musitu war und wo die POUM eine Kaserne eingerichtet hatte, wurde eine sorgfältige Durchsuchung vorgenommen, bei der mehrere tausend vollständige Soldatenausrüstungen des neuesten Modells gefunden wurden.« Unterzeichnet wiederum von »Febus«.
Die Hervorhebungen stammten nicht von diesem Redakteur mit dem Pseudonym, auch nicht von mir, sondern von Wheeler, von dem ich nicht wenige in seinen zahlreichen, bereits durchgeblätterten oder sogar geplünderten Büchern gefunden hatte, neben nicht sehr ausführlichen oder sogar eher chiffrierten oder abgekürzten Randbemerkungen, die daher für mich oder für jeden, der sie zu Gesicht bekommen mochte, kaum verständlich waren. In diesem Fall hatte er rechts von der halben, in roter Schrift wiedergegebenen Spalte senkrecht (ihm blieb kaum Platz), wie üblich mit der Füllfeder und mit seiner unverwechselbaren Schrift, die ich gut kannte, notiert: »Cf From Russia with Love «, das heißt »Confer Liebesgrüße aus Moskau «, Latinismen noch an den Rändern, wenn im Englischen auch häufig mit der Abkürzung »Cf« in einem Text auf ein anderes Werk verwiesen wird, entsprechend unserem »siehe« oder »vergleiche«. Liebesgrüße aus Moskau , das zweite Abenteuer oder die zweite Folge von James Bond, wenn ich mich recht erinnerte, höchstens die dritte oder vierte. Und ich fragte mich sogleich, ob er sich auf den Film bezog, den ich natürlich seinerzeit gesehen hatte (noch mit dem großen Sean Connery, dessen war ich mir sicher), oder auf den Roman des früh verstorbenen Ian Fleming, auf dem er basierte. Die grundlose oder unmotivierte Neugier (wie sie die Gelehrten quält) verwandelt uns in Puppen, zerrt an uns und hetzt uns hin und her, schwächt unseren Willen und, was das schlimmste ist, spaltet uns und streut uns in alle Winde, läßt uns wünschen, vier Augen und zwei Köpfe zu haben oder besser noch verschiedene Leben und ein jedes mit vier Augen und zwei Köpfen. Gleichwohl gelang es mir, meine Aufmerksamkeit noch eine Weile auf jenes Doppelte Tagebuch zu konzentrieren, aber es brachte nicht viel über die Geschicke Nins und der POUM, die mich überdies – wie ich merkte – als solche nicht sonderlich interessierten oder mich zumindest nicht interessiert hatten, bevor ich am Anfang diese Bände, Orwell und Thomas, aufgeschlagen hatte. (Alles Schuld von Tupra, er hatte mich verstrickt, das hatte er vom ersten Augenblick an getan.)
In derselben republikanischen Ausgabe der Abc vom nächsten Tag, dem 19. Juni 1937, sah ich eine
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