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Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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ganze Seite über das Plenum des Komitees der Kommunistischen Partei, das in Valencia begonnen hatte. Bei der ersten Sitzung hatte es einen »Bericht« von Dolores Ibárruri gegeben, damals, heute und in der Zukunft zweifellos bekannter unter ihrem Beinamen Pasionara, die, »stets Stalin hörig« und womöglich »in einem Ausbruch von Hysterie«, wie Benet vor wenigen Augenblicken gemurmelt hatte, den in diesen Tagen Gesäuberten ein paar wütende, erbarmungslose Worte widmete: »Bei der Veranstaltung im Kino Monumental«, sagte sie, »hissen wir die Fahne der Volksfront. Die Feinde dieser Einheit sind gewisse linke Gruppierungen und die Trotzkisten. Die Maßnahmen zu ihrer Liquidierung können nicht weit genug gehen.« Ich hatte Lust, diesen letzten Satz zu unterstreichen, der so heftig zu Liquidierungen aufforderte, die in der Tat fortgesetzt wurden, aber ich tat es nicht, schließlich gehörten die Bände Peter, und es war nicht absehbar, daß ich sie nach dieser absichtslos und seltsam durchwachten Nacht jemals im Leben noch einmal konsultieren würde.
    Ich sah, daß die franquistische Abc in Sevilla ihrerseits ein kaum hörbares Echo der katalonischen Säuberungen in einer knappen, leidenschaftslosen Meldung vom 25. Juni publiziert hatte, deren Indifferenz kaum zu den Anschuldigungen paßte, denen zufolge die POUM und ihre Anführer im Dienste Francos, Mussolinis, Hitlers, seiner Gestapo und sogar der Maurischen Garde standen: »Die rote Regierung«, so ihr Titel, »läßt aufgrund des Verlusts von Bilbao mehrere führende Mitglieder der POUM hinrichten. Die Situation in Katalonien.« In der Meldung hieß es: »Salamanca, 24. Nachrichten aus französischer Quelle ist zu entnehmen, daß die Regierung in Valencia aufgrund des Verlusts von Bilbao eine Offensive gegen die POUM und andere, ihr wenig geneigte Parteien begonnen hat, um zu vermeiden, daß das Gegenteil geschieht.« (Ein so gut wie unverständlicher Satz, die Rechte immer dümmer als die Linke.) »Diesen Informationen zufolge wurden Andrés Nin, Gorkin und ein drittes führendes Parteimitglied, dessen Name unbekannt ist, nach Valencia gebracht und dort hingerichtet. Sämtliche trotzkistischen Anführer wurden auf Befehl des Konsuls der Sowjets, Ossenko, verhaftet, der von seiner Regierung die Anweisung erhalten hat, in Katalonien eine ähnliche Repression durchzuführen wie die letzte Kampagne gegen Tukachewski und dessen Freunde in Rußland.«
    Ganz offensichtlich waren die Angaben ungenau, nicht nur, was Nin betraf, denn mehr als einen Monat später, am 29. Juli 1937, druckte die republikanische Abc in Madrid, nach wie vor von »Febus« gezeichnet, ohne Kommentar die Meldung ab, die das Justizministerium »über die des Verbrechens des Hochverrats Beschuldigten« veröffentlicht hatte. »Das Gericht für Spionage und Hochverrat« (das de facto gerade erst am 22. Juni zu diesem Zweck geschaffen worden war, denn das Ermittlungsverfahren Nummer 1 dieses Sondergerichts war das Verfahren gegen die POUM) »hat die Akten erhalten«, die sich auf elf Angeklagte beziehen, zehn von der Arbeiterpartei der Marxistischen Einheit und einen der Falange Española, wobei bei ersteren die Namen Juan Andrade und »Julián Gómez Gorkin« erwähnt werden. Besagte Akten bestanden »aus umfangreicher, im Lokal der POUM gefundener Dokumentation: Codes, Telegrammschlüssel, Unterlagen zum Waffenhandel und zum Schmuggel von Geld und Wertgegenständen, verschiedene Zeitungen aus verschiedenen Hauptstädten, hauptsächlich aus Barcelona; Schreiben ausländischer Elemente mit Bezugnahmen auf innerhalb oder außerhalb des regierungstreuen Territoriums geführte Gespräche und auf die Teilnahme ausländischer Elemente an den Straftatbeständen der Spionage und subversiven Tätigkeit im Mai dieses Jahres«. Der Text endete mit einer deutlichen Warnung an etwaige Fürsprecher: »Es ist daher jeder Versuch des Einspruchs nutzlos, der nicht auf der strikten und genauen Anwendung der Gesetze beruht.« Das mit den »verschiedenen Zeitungen aus verschiedenen Hauptstädten« erschien mir als besonders fragwürdig und als das verräterischste überhaupt; und daß sie noch dazu »hauptsächlich aus Barcelona« stammten, wo das durchsuchte Lokal der POUM sich in ebendieser Stadt befand, als ein strafverschärfender Umstand, der zum Himmel und zweifellos nach Verurteilung schrie. Die zehn Beschuldigten waren Männer und hatten spanische Namen, also schienen die außergewöhnlich schönen

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