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Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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ganz, was das »Loyale« betraf (Stalin gegenüber war er es natürlich nicht), wohl aber das »Reine« und »Rote«. Und obwohl er weder ein Engel noch ein Heiliger, noch lediglich harmlos gewesen war (wer konnte das sein in diesem Krieg), waren seine Ermordung und die seiner Kameraden (irgendein Historiker bezifferte die von Orlow und seinen spanischen und russischen Gefolgsleuten ins Massengrab geschickten Mitglieder der POUM und Anarchisten der CNT auf Hunderte und ein anderer auf Tausende) sowie die von allzu vielen verbreitete und geglaubte Verleumdung, die nicht einmal nach seiner physischen Eliminierung und der Vernichtung seiner Partei aufhörte, fast allen Stimmen zufolge, denen ich auf den Seiten jener stillen Nacht am Cherwell zuhörte, die größte und verheerendste Schandtat, die während des Krieges von einem Lager gegen Leute des eigenen Lagers begangen wurde.
    »Im Grunde wird tendenziell alles geglaubt, zuerst. Das ist sehr seltsam, aber so ist es«, hatte Tupra ebenfalls gesagt, wie ich mich erinnerte, ich erinnerte mich an seine Worte, während ich hier und da weiterlas: Als krönender Abschluß der unsinnigen Verleumdungen wurde in Barcelona 1938 ein von einem gewissen Max Rieger verfaßtes Buch veröffentlicht (zweifellos ein Pseudonym, vielleicht von Wenceslao Roces, dessen Namen ich kannte, weil er später der Übersetzer von Hegels Phänomenologie des Geistes sein sollte), angeblich aus dem Französischen ins Spanische übersetzt von Lucienne und Arturo Perucho (letzterer war Direktor des Organs der katalanischen Kommunisten, Treball ) und mit einem »Vorwort« des berühmten, mehr oder weniger katholischen und mehr oder weniger kommunistischen Schriftstellers José Bergamín – ach, diese Mischungen –, das unter dem Titel Spionage in Spanien sämtliche Lügen, Falschheiten und Anschuldigungen gegen Nin und die POUM zusammentrug und für richtig und mehr als richtig befand, sie guthieß, bekräftigte, aufbereitete, mit fabrizierten Beweisen untermauerte, erweiterte, steigerte und übertrieb. Ich erinnerte mich, daß mein Vater von diesem Prolog Bergamíns, der die Verfolgung und die Massaker der Leute der POUM rechtfertigte und deren Anführern das Recht auf jegliche Verteidigung absprach (da war die Sache längst gelaufen: man hatte es bereits ziemlich vielen Gefolterten und ohne Prozeß Eingesperrten oder Hingerichteten verweigert), einmal als von einer großen Schamlosigkeit gesprochen hatte, eine von vielen, die sich nicht wenige spanische Intellektuelle und Schriftsteller des einen und des anderen Lagers während des Krieges hatten zuschulden kommen lassen, und mehr noch bei seinem Ende die Sieger. Ich las irgendeinen unredlichen und inkompetenten Kommentator – vielleicht war es Tello-Trapp, aber es konnte auch ein anderer sein, ich hatte begonnen, auf losen Blättern und ziemlich chaotisch Notizen zu machen, das Arbeitszimmer des armen Peter war auf dem besten Weg, sich in eine Rumpelkammer zu verwandeln –, der versuchte, Bergamín zu retten, weil er ihn persönlich gekannt hatte (»eine faszinierende, anziehende Persönlichkeit«, »ein echter Don Quijote, ein Liebhaber der Wahrheit«) und weil ihm seine »tiefe, reine und romantische« Dichtung und die »Leuchtspur seiner Stimme« so sehr gefielen – ich verschlang eine Praline und einen Trüffel und nahm zwei Schlucke Whisky, um mich zu erholen, ich fragte mich, wie man einen derartigen Kitsch von sich geben und danach weiterschreiben konnte –, aber in Wahrheit ließ das fragliche Vorwort, das mir irgendwo ausgiebig zitiert entgegentrat, keinerlei Spielraum für die Rettung seines Verfassers: Die POUM war »eine kleine Partei, die Verrat begangen hatte«, aber sie war, wie sich herausgestellt hatte, nicht eigentlich »eine Partei, sondern eine Organisation der Spionage und Kollaboration mit dem Feind; nicht eine Organisation in geheimem Einverständnis mit dem Feind, sondern der Feind selbst, ein Teil der internationalen faschistischen Organisation in Spanien … Der spanische Krieg gab dem internationalen Trotzkismus im Dienste Francos sein wahres sichtbares Gesicht als Trojanisches Pferd …« Der hinterhältige Kommentator konnte diesen Prolog nur beklagen und verurteilen, aber »wir wissen nicht«, sagte er, ob sein Verfasser »ihn im Banne der kommunistischen Partei oder guten Glaubens geschrieben hat«, wo doch mehr als wahrscheinlich, ja offensichtlich ist, daß er ihn in völliger Freiheit und in der

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