Dein goettliches Herz entflammt
bin ich fertig«, sagte das Mädchen, als ich einstieg. Ihr Blick streifte den Rucksack, doch sie verlor kein Wort über die Pistole und das Schwert. Stattdessen hielt sie mir ihre ölverschmierte Hand hin. »Ich heiße Crank.«
Ich schüttelte ihre kleine Hand. »Ari.«
Crank schob den langen Schalthebel in den ersten Gang und ließ die Kupplung kommen. Der große Lieferwagen schaukelte ein paarmal vor und zurück – sicherheitshalber griff ich nach dem kalten Türgriff aus Metall –, setzte sich dann aber mit einem heftigen Ruck in Bewegung.
Die Schüsse hatten niemanden aus dem Hotel gelockt. Hatte denn keiner etwas gehört? Als wir das Hotel und den Parkplatz hinter uns ließen, beschlich mich ein ungutes Gefühl. Entweder hatten die Angestellten und Gäste des Hotels die Polizei mit Absicht nicht gerufen oder Schüsse mitten in der Nacht waren in der Nähe des Walls etwas ganz Normales. Vielleicht war das auch der Grund, warum sich Crank von den Waffen, mit denen ich zu ihr in den Lieferwagen gestiegen war, nicht im Mindesten beeindrucken ließ. Doch auch diese Erklärung trug nicht dazu bei, dass ich mich besser fühlte.
Nachdem Crank hinter das Postamt gefahren war und den Lieferwagen rückwärts an eine Rampe manövriert hatte, kletterte sie in den Laderaum, öffnete die Hecktür und warf alle Postsäcke in drei große Container. Anschließend holte sie zwei für New 2 bestimmte Säcke aus der Ladezone und schleuderte sie in den Lieferwagen. Danach machten wir uns auf den Weg zur Route 190.
Die nach Süden führende Ausfahrt war teilweise gesperrt, doch drei der verblichenen orangefarbenen Tonnen waren beiseitegeräumt, sodass ein Fahrzeug passieren konnte.
Wir fuhren etwa fünfzehn Kilometer, bevor wir offiziell den Wall passierten. Außer einem verwitterten Straßenschild deutete nichts auf den Übergang hin.
GRENZE DER VEREINIGTEN STAATEN. KATASTROPHENGEBIET. WEITERFAHRT AUF EIGENE GEFAHR, war darauf zu lesen. Einige Meter weiter stand ein zweites Schild: EIGENTUM DER NOVEM. ACHTUNG: PRIVATBESITZ. WILLKOMMEN IN NEW ORLEANS.
Abgesehen vom Dröhnen des Motors und der Menge an Schlaglöchern, war die lange Fahrt von Stille geprägt – jener Art von Stille, die man nicht hört, sondern sieht. Eine Stille, die sich über der flachen Landschaft ausbreitete und bis zu den schwarzen Silhouetten aus zerstörten Ortschaften, verlassenen Fastfood-Restaurants, Tankstellen und Fahrzeugen reichte. Je weiter wir fuhren, desto schlechter wurde die Straße. Der Asphalt war voller Risse und Löcher und stellenweise sogar mit Unkraut bewachsen.
»Hier draußen gibt es nicht mehr viel«, meinte Crank meinem Blick folgend. »Die meisten leben in oder um New 2 herum.«
»Warum ist überhaupt jemand hiergeblieben?«, fragte ich leise. Nach dem Unglück hatte die Regierung sich beeilt, die Stadt und die umliegenden Gebiete loszuwerden, sie zum Katastrophengebiet erklärt und alle evakuiert, die gehen wollten. Mit der Wirtschaft war auch die kommunale und staatliche Infrastruktur in New Orleans zusammengebrochen. Wenn jemand geblieben war, dann in dem Wissen, dass es Amerika hier nicht mehr gab.
Neun der ältesten Familien von New Orleans hatten eine Allianz gebildet – die Novem. Sie hatten die zerstörte Stadt sowie die umliegenden Bezirke gekauft, ein Deal, der für beide Seiten scheinbar nur Vorteile mit sich brachte. Die Regierung war New Orleans los. Ein Teil der 8,2 Milliarden Dollar, die die Vereinigten Staaten durch den Verkauf erhielten, ging an die Menschen, die von der Katastrophe betroffen oder umgesiedelt worden waren. Und die Novem bekamen das, was sie wollten – eine eigene Stadt.
Eine Weile hatten sämtliche Medien über die Novem berichtet, angezogen von den wilden Spekulationen über den mysteriösen Kauf von verwüstetem Land und fasziniert von dem Reichtum und der Macht, die mit dem Besitz und Betrieb einer ganzen Stadt einhergingen. Jemand schrieb sogar ein Buch über die Familien und ihre lange Geschichte in New Orleans. Die Novem wurden so etwas wie Berühmtheiten und mit der Zeit entstanden zahlreiche Legenden über sie. Geheimnisvolle Charaktere in den Ahnentafeln der Familien trugen dazu bei, dass sich die Leute schließlich Geschichten von Hexen, Vampiren und Voodoo-Priesterinnen erzählten.
Die Novem ignorierten die Gerüchte, sie bestätigten sie weder, noch protestierten sie dagegen. Sie gaben keine Interviews, hielten sich stets im Hintergrund und traten nur ein einziges Mal vor
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