Dein goettliches Herz entflammt
die Öffentlichkeit – beim Kauf von New Orleans. Danach zogen sie sich in ihre zerstörte Stadt zurück und überließen es dem Rest der Welt, den Gerüchten neue Nahrung zu geben. Es dauerte nicht lange, bis sie in einem Atemzug genannt wurden mit Area 51, Roswell, dem Monster von Loch Ness und sämtlichen Verschwörungstheorien und Spekulationen über paranormale Ereignisse. Die Undercover-Journalisten und Wahrheitssucher, die später mit unscharfen Fotos und Berichten über Monster und Mörder aus der Stadt zurückkamen, heizten die Gerüchteküche zusätzlich an. Und heute, dreizehn Jahre später, glaubte ein großer Teil der amerikanischen Bevölkerung daran, dass New 2 eine Art Unterschlupf und Treffpunkt für alles Übersinnliche war.
Crank zuckte mit den Schultern. Der Lieferwagen fuhr gerade über ein paar Schlaglöcher und sie wurde heftig durchgeschüttelt. »New 2 ist mein Zuhause«, beantwortete sie meine Frage. Der federnde Fahrersitz ließ sie regelrecht auf- und abhüpfen. Mein Blick ging in Richtung ihrer Füße, die auf Holzklötzen ruhten, damit sie die Pedale erreichen konnte. »Einige wussten nicht, wo sie sonst hingehen sollten, andere waren zu stur, um die Stadt zu verlassen.«
»Und zu welcher Gruppe gehörst du?«
Crank lachte leise. »Ich glaube, zu beiden. Mein Dad ist bei dem Hochwasser gestorben. Und als die Armee einmarschiert ist, um die Stadt zu evakuieren, hat mein Onkel meinen Bruder und meine Mom versteckt, was viele andere auch getan haben. Ich wurde allerdings erst später geboren. Und warum willst du nach New 2?«
Ich drückte den Schuhkarton an mich. »Ich versuche herauszufinden, wer meine Eltern waren. Ich wurde im Charity Hospital geboren, einige Jahre vor den Hurrikans.«
»Ohne Scheiß?«
Ein leises Lachen löste sich aus meiner Kehle. Crank war wie eine kleine Erwachsene, die im Körper eines Kindes gefangen war. »Ohne Scheiß.«
»Vielleicht kann dir ja mein Bruder dabei helfen. Er ist ziemlich gut im Suchen. Weißt du schon, wo du übernachten wirst?«
Als ich in den Lieferwagen gestiegen war, hatte ich mir über so etwas natürlich keine Gedanken gemacht. »Nein, noch nicht.« Ich brauchte nur einen Tag. Einen Tag, um das Krankenhaus zu finden und einen Blick in die Unterlagen zu werfen. Davon würde mich nichts und niemand abhalten können.
»Du kannst bei uns wohnen. Die Touristenhotels im French Quarter kosten ein Vermögen.«
Das Angebot war das Letzte, womit ich gerechnet hätte. Aber andererseits hatte ich ja auch nicht erwartet, von einer Zwölfjährigen nach New 2 gefahren zu werden. »Ich weiß nicht so recht…«
»Wir haben haufenweise Zimmer. Und für vierzig Dollar bekommst du eins für heute Nacht.« Als ich nicht gleich antwortete, fragte sie: »Einverstanden?«
»Ja, klar«, erwiderte ich mit einem Seufzer. Ich machte es mir auf meinem Sitz bequem und verdrehte die Augen. »Warum nicht?«
Der Lieferwagen rumpelte durch die zerfallenen Überreste von Mandeville und fuhr dann auf die Mautstation der Lake-Pontchartrain-Brücke zu. In einem der kleinen Häuschen brannte gedämpftes Licht, ich konnte eine dunkle Gestalt zwischen den Schatten erkennen. Crank bremste den Lieferwagen ab. Der Mann – zumindest hielt ich ihn aufgrund seiner Größe für einen – winkte uns durch.
Ich klammerte mich an den Haltegriff über der Tür, als der Lieferwagen auf eine Seite der aus zwei Fahrbahnen bestehenden Brücke fuhr. Die andere Seite war völlig unpassierbar, da riesige Stücke in den Bodenplatten fehlten und nur noch die Betonpfeiler standen, von denen die meisten mit Vogelnestern bedeckt waren.
Mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen warf Crank mir einen Seitenblick zu. Sie gab leicht Gas. »Noch achtunddreißig Kilometer«, sang sie leise. Für meinen Geschmack genoss sie meine Angst etwas zu sehr. Das Mädchen beugte sich vor und streckte die Hand nach dem Radio aus. Leider führte das dazu, dass Crank kaum noch über das Armaturenbrett sehen konnte. Der Lieferwagen steuerte auf die Leitplanke zu und kam ihr gefährlich nahe.
Instinktiv griff ich mit meiner rechten Hand nach dem Türgriff, während ich mit der linken den Schuhkarton an mich drückte. »Ähm, Crank?«
Das Radio erwachte plärrend zum Leben und Crank richtete sich wieder auf. Allerdings verriss sie dabei das Lenkrad und steuerte auf die linke Seite der Straße zu, an der ein Stück der Leitplanke fehlte. Als wäre nichts geschehen, setzte sie sich wieder gerade hin und
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