Dein goettliches Herz entflammt
lenkte das Fahrzeug in die Mitte der Fahrbahn.
Vor uns lagen achtunddreißig Kilometer Brücke – abzüglich der bereits gefahrenen furchterregenden Kilometer –, die dicht über dem ruhigen Wasser des Sees gebaut war. Achtunddreißig Kilometer mit Zydeco-Musik, auf denen sich sämtliche Muskeln in meinem Magen verkrampften und meine um den Türgriff gekrallten Finger langsam starr wurden. Als wir endlich wieder festen Boden unter den Rädern hatten, fühlte ich mich, als hätte ich hundert Sit-ups hinter mir. Und Zydeco wollte ich nie wieder in meinem Leben hören.
Crank fuhr durch den Vorort Metairie, wo es um diese Zeit dunkel und still war und nur vereinzelt noch Licht brannte, dann auf die Route 61, die zur Washington Avenue führte. Die Straße änderte ein paarmal ihren Namen, bevor sie auf die St. Charles Avenue im Garden District traf. Crank wurde nicht langsamer, um auf den Verkehr zu achten, sie steuerte einfach mit voller Geschwindigkeit auf die Kreuzung und bog dann nach links ab. Nicht, dass das etwas ausgemacht hätte – außer uns war sowieso niemand auf der Straße. Einige der Straßenlaternen funktionierten noch und ließen mich die Schienen der auf der St. Charles Avenue fahrenden Straßenbahn erkennen, die parallel zur Straße verliefen.
Aus dem Garden District war eine Art Geisterstadt geworden, ein wunderschöner, verlassener Ort, an dem die einst sorgsam gepflegten Gärten über die schmiedeeisernen Zäune krochen und die Straßen in einem Gewirr aus Kletterpflanzen und Unkraut versinken ließen.
Als Crank in die First Street einbog, kam es mir vor, als hätte jemand die Uhr um hundert Jahre zurückgedreht. Trotz der abblätternden Farbe, morschen Holzlatten, beschädigten Geländer und kaputten oder mit Brettern vernagelten Fenster standen die Häuser wie ehrwürdige Wächter an der Straße, umgeben von uralten Eichen mit ihren Schultertüchern aus den langen grauen Ranken des Spanischen Mooses.
Der Lieferwagen bog in die Coliseum Street und blieb plötzlich mit kreischenden Bremsen stehen. Ich wurde nach vorn geschleudert, bis der Sicherheitsgurt blockierte und verhinderte, dass ich durch die Windschutzscheibe flog. Mein Herz klopfte wie wild, als ich wieder auf dem Sitz landete. Crank schaltete in den Leerlauf, zog die Parkbremse an und stellte den Motor ab.
Selbst jetzt spürte ich noch die Vibrationen des rumpelnden Lieferwagens in meinem Körper und alle Geräusche klangen so gedämpft, als würde ich Ohrenschützer tragen.
»Wir sind da«, rief Crank. »Komm mit.«
Mit dem Schuhkarton in der einen Hand sprang ich aus dem Lieferwagen und warf mir meinen Rucksack über die Schulter. Meine Füße trafen auf festen Boden. Ich widerstand dem Impuls, auf die Knie zu fallen und Gott zu danken, dass ich die Fahrt lebend überstanden hatte. Stattdessen blieb ich so lange ruhig stehen, bis ich mein Gleichgewicht wiedergefunden hatte.
»Hier lang.« Cranks Stimme drang durch die Dunkelheit zu mir.
Ich betrat den bröckelnden Bürgersteig und legte den Kopf in den Nacken, um den vor uns aufragenden Schatten besser sehen zu können. Wow.
Das Haus an der Ecke First und Coliseum lag, umgeben von einem schwarzen Eisenzaun, in einem Dschungel aus Bäumen und verwildertem Rasen. Es war rechteckig und unheimlich groß, ragte zwei Stockwerke hoch und war mit einem ausgebleichten mauvefarbenen Anstrich versehen. Die überdachten gusseisernen Balkone mit ihren filigranen Verzierungen zogen sich über beide Stockwerke, schwarz gestrichene Fensterläden rahmten die hohen Fenster. Durch die Fensterscheiben drang von dunklen Vorhängen und Schmutz gedämpftes Licht nach außen.
Das Haus gefiel mir auf Anhieb – eine echte Schönheit, der man ihr Alter und ihren Verfall zwar ansah, die aber trotzdem noch voller Stolz dastand. Genau mein Geschmack.
Ich fühlte mich schlagartig etwas besser bei dem Gedanken, spontan nach New 2 gekommen zu sein, und folgte Crank durch das Haupttor. Über das hatte sich ein dichtes Gewirr von kleinen weißen Blüten gelegt, die einen betörenden Duft verströmten – die gleiche Art von Pflanze rankte seitlich am Haus empor und durch das Geländer im ersten Stock. Vom Dach des Balkons über uns hing eine schwarze Laterne herab.
»Cool, was?«, fragte Crank über die Schulter hinweg, als sie die Haustür öffnete.
»Wohnst du hier?«
»Ja. Genau genommen gehörtes uns ja gar nicht, aber bis jetzt hat es noch niemand zurückhaben wollen und daher ist es eben unser
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