Dein goettliches Herz entflammt
die beiden Jungen vor mir endlich deutlich erkennen. Mein Gesicht brannte heißer als die Sonne, als mir bewusst wurde, was ich gerade um ein Haar getan hätte. Wie kann man nur so dumm sein? Mir war das Ganze so peinlich, dass ich mich am liebsten in Rauch aufgelöst hätte.
Hier waren überall Vampire. Sie tranken das Blut jener, die ihnen ihre nackten weißen Hälse darboten, das Blut kostümierter Frauen, die sich in einer Art hypnotischem Zustand befanden, in dem Gefühle und Verlangen das Einzige waren, was zählte. Und wenn Sebastian nicht eingegriffen hätte, wäre ich eine von ihnen gewesen.
War ich so schwach, so willig, Gabriels »Verlangen« zu stillen?
»Ari«, sagte Sebastian, »alles in Ordnung mit dir?«
Ich stieß mich von der Wand ab. »Mir geht’s gut.« Aber ich war stinksauer, weil ich so naiv und willig gewesen war, weil ich immer noch die Wärme unter meiner Haut und der engen Korsage meines Ballkleids spürte. Ich war heilfroh, dass ich die Maske trug. So war wenigstens nicht ganz so offensichtlich, wie rot mein Gesicht leuchtete. Ich versuchte zu ignorieren, was um uns herum geschah. Die Tänzer drehten sich immer noch im Kreis, die kostümierten Gäste unterhielten sich immer noch miteinander, doch die anderen, die Paare an den Wänden und in den dunklen Ecken, die sich in den Armen lagen… »Bist du so wie sie, Sebastian?«
Um seinen Mund erschien ein harter Zug.
Gabriel lachte, während er die Augen hinter der goldenen Maske zusammenkniff. »Sebastian leugnet, was er ist. Aber er ist genauso wie ich.«
Sebastians Augen wurden dunkel. An seinem Kiefer zuckte ein Muskel. »Verpiss dich, Baptiste. Ich werde nie so sein wie du. Wie ihr.« Der Ton in seiner Stimme war so grob wie die Hand, die mich am Oberarm packte. »Komm, wir gehen.«
»Selbst du, Lamarliere, solltest eine Dame nicht so behandeln. Warum fragst du sie nicht, ob sie mit dir gehen will?«
Ich räusperte mich und wollte nichts lieber, als sofort von hier zu verschwinden, als die beiden voneinander zu trennen, bevor etwas Schlimmes passierte. »Danke für den Tanz«, sagte ich. Das war hoffentlich deutlich genug.
Gabriels Haltung wurde förmlich. »Es war mir ein Vergnügen, Mondkönigin«, erwiderte er mit einer leichten Verbeugung. Dann ging er.
Sebastian zog mich in die andere Richtung und schob uns durch das Gedränge, bis wir einen freien Platz in der Nähe des Balkons zur Straße hin fanden. Die frische Luft, die durch die offenen Terrassentüren hereinkam, half mir, wieder klar im Kopf zu werden. »Was zum Teufel ist eigentlich los? Wo sind die anderen? Und wo ist Violet?«
»Was los ist? Wir suchen nach dir, seit du gestern Abend auf dem Markt verschwunden bist, das ist los.« Sebastian starrte mich an, zog mit einer ungehaltenen Geste seine Maske vor das Gesicht und stürmte auf den Balkon hinaus.
Mit der einen Hand packte er das eiserne Geländer, mit der anderen fuhr er sich durch die Haare, dann seufzte er laut. Sein Blick ging nach unten, zu den Feiernden, die unten auf der Straße vorbeizogen. Jetzt, da er die Maske wieder vor dem Gesicht trug, wirkte sein Profil streng und hart. Mit seinen dunklen Haaren, die über den Rand des schwarzen Satins fielen, sah er aus wie ein Raubvogel. Er trug ein weißes Hemd und eine schwarze Hose und die dunkle Maske auf seiner hellen Haut ließ seine Lippen noch röter wirken als sonst. Was natürlich auch davon kommen konnte, dass er so wütend war.
Der schrille Ton einer Tröte unter uns riss mich aus meinen Gedanken. Dieser Ort, diese Party oder was immer es auch war, hatte mich voll erwischt und mich zu einem willenlosen Spielzeug für einen von diesen verdammten Blutsaugern gemacht. Meine Fingerknöchel wurden weiß, als ich mit beiden Händen das Balkongeländer umklammerte.
»Ich habe Violet nicht gesehen«, sagte Sebastian. »Wo zum Teufel warst du?«
»Das ist eine lange Geschichte. Deine Großmutter hat mir eine Nachricht geschickt und behauptet, sie habe Dub, Crank und Henri in ihrer Gewalt.«
Er starrte mich verwirrt an. »Wir haben pausenlos nach dir gesucht, bis heute Abend, als meine Großmutter mir sagte, du würdest zum Ball kommen. Ich habe die anderen nach Hause geschickt, damit sie sich ausruhen können.«
»Dann hat dein Vater also noch nicht mit dir gesprochen?«
Er schob die Maske nach oben und starrte mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Mein Vater? Mein Vater hat uns verlassen, als ich noch ein kleines Kind war.«
Scheiße.
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