Dein goettliches Herz entflammt
begriff ich, dass es Josephine völlig egal war, ob hier alle starben, solange sie bekam, was sie wollte.
An Athenes Arm und Handgelenk bewegte sich die Anzugshaut, so nah an mir, dass ich versuchte, mich aus dem eisernen Griff der Göttin zu befreien. Panik überkam mich. »Warum willst du mich haben?«, platzte ich heraus.
Athene erstarrte und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder mir zu. Sie beugte sich zu mir herunter. Ihr Gesicht war nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt. Und dann zeigte Sie mir, wie die Göttin des Krieges wirklich aussah.
Das makellose Gesicht veränderte sich. Die Schönheit fiel von ihr ab und zum Vorschein kam eine Hölle, die so entsetzlich war, wie ich es noch nie gesehen hatte. Tod. Krieg. Knochen. Ihr Gesicht verwandelte sich in das der Königin, die über dieses Grauen herrschte. Der Kopf sah jetzt aus wie ein Totenschädel. Ein Auge war verschwunden, das andere leuchtete wie bisher in einem dunklen Smaragdgrün. Aus dem Spalt zwischen Augapfel und knöcherner Augenhöhle kroch Ungeziefer heraus. Frei liegende Sehnen verzogen Athenes Lippen zu einem Lächeln. Und in ihrem Schädel, zwischen den verfilzten Haaren, den Knochen und dem verwesenden Fleisch bewegte sich etwas. Im Inneren der Göttin, in ihrem ganzen Körper, unter ihren Rippen, sah ich die Seelen von Kriegern und die Hölle, die sie in ihr gefunden hatten.
Athene, die jetzt wieder eine Schönheit war, richtete sich auf und grinste. »Wir lassen das Kind entscheiden.«
Ich hatte in das Herz von Krieg und Tod geblickt und wusste, dass Athene die gesamte Stadt auslöschen konnte. Sicher, es gab Übereinkünfte und Gesetze, die vielleicht sogar für die Göttin galten. Doch wenn es sein musste, würde Sie die ganze Welt zerstören, um das zu bekommen, was Sie haben wollte. Mich.
»Nein«, sagte Sebastian, dem klar wurde, was ich tun wollte. Sein Griff wurde fester, doch ich zog meine Hand weg.
»Eines Tages«, meldete sich Michel zu Wort, den Blick auf die Göttin gerichtet, »werden sich die Kreaturen, die du geschaffen hast, gegen dich wenden. Mögen die Götter dir beistehen, wenn es so weit ist.«
Athenes Kopf fuhr herum. »Jedes Mal, wenn sie es versuchen, scheitern sie«, fauchte Sie . »Ich kann dich sofort dahin zurückbringen, wo du gewesen bist, also halt verdammt noch mal dein Maul, Lamarliere.«
Er hatte einen Nerv getroffen.
Meine Gedanken überschlugen sich und ich bekam eine Gänsehaut. Ich dachte an die Harpyie und an Arachne, hatte aber zu viel Angst davor, sie zu rufen. Ich hatte Angst vor dem, was Athene dann tun würde.
»Vor dreizehn Jahren wäre es dir um ein Haar gelungen, uns zu zerstören«, sagte Michel mit ruhiger Stimme, doch in seinen Augen brannte der Hass. »Sag mir, Athene, bereust du, den Wind und das Meer gerufen zu haben? Bereust du deinen Hunger nach Macht?«
»Ich bereue nichts«, zischte Sie .
»Natürlich bereust du es. Deine Hurrikans gerieten außer Kontrolle. Und wenn du nicht so übereifrig gewesen wärst, wäre dir die Ägis vielleicht nicht aus der Hand geglitten und ins Meer gefallen.«
Athene schnappte nach Luft, was mir sagte, dass Michel etwas verraten hatte, was er nicht hätte wissen dürfen. Doch er grinste nur. »Außer reden kann man im Gefängnis nicht viel tun… Wenn dein Vater, der große Zeus, heute noch leben würde und wüsste, dass du seine Ägis verloren hast, eine seiner mächtigsten Waffen, die Waffe, deretwegen du ihn getötet hast, würde er die Ironie dahinter sicher sehr amüsant finden. Ohne die Ägis bist du nicht mehr unbesiegbar.«
Die Göttin erstarrte und sah Michel mit zusammengekniffenen Augen an. Dann riss Sie unsanft an meinem Arm und zog mich zu sich. »Auch ohne Ägis bin ich immer noch mächtiger als ihr. Und dieses kleine Drecksstück hier« – Sie packte mich an den Haaren – »wird meine neue Ägis sein. Ich werde ihr den Kopf abschlagen, ihr die Haut abziehen und daraus einen neuen Schild machen, der besser ist als die alte Ägis. Vielleicht wird meine nächste Ägis auch ein Brustharnisch oder ein Umhang sein.« Sie fuhr mit dem Finger über mein Gesicht. »Haut ist sehr vielseitig.«
Josephine lachte. »Ich glaube, du hast da etwas vergessen, Athene. Den einzigen Gott, der dir eine neue Ägis anfertigen kann, hast du getötet. Kann es sein, dass du außer deiner Weisheit auch noch deinen Verstand verlierst?«
Scheiße. Meine Augenlider zuckten. Michel war nicht der Einzige, der lebensmüde war. Josephine war es
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