Dein goettliches Herz entflammt
Dienerin, werde ich es vielleicht tun.«
Als Athene aufstand und verschwand, liefen mir wieder Tränen über das Gesicht.
Ich ließ meine Augenlider zufallen und rollte mich auf die Seite. Dann zog ich Arme und Beine an, kauerte mich zusammen und weinte stumm in das nasse Gras.
Alles tat weh. Außen. Innen. Jetzt begriff ich, wie es sich anfühlte, wenn man gebrochen war. Ich ließ mich von meinem Kummer überwältigen und versank in einer Welt aus Verzweiflung.
Nach einer Weile setzte sich Violet hinter mich und kuschelte sich an meinen Rücken. Die kleine Geste tat so weh, dass mir schon wieder die Tränen kamen. Violet. Die kleine Violet hatte mich akzeptiert. Sie war die Einzige, die zu mir hielt.
Ich erwachte, als ich die Hitze auf meinem Rücken und lauwarmen Nieselregen in meinem Gesicht spürte. Sämtliche Muskeln protestierten, als ich mich langsam auf den Ellbogen stützte und mit einem Blick über die Schulter feststellte, dass Violet sich auf dem Gras zusammengerollt hatte, Pascal lag ausgestreckt neben ihr. Die Hand des Mädchens ruhte klein und zerbrechlich auf den Blättern neben seinem Maul.
Ich rieb meine geschwollenen Augen und wartete darauf, dass ich wieder richtig sehen konnte. Doch stattdessen wurde ich von Erinnerungen überflutet. Erinnerungen an meine Vergangenheit, an meinen Fluch und an das, was Athene getan hatte, um meinen Willen zu brechen.
Ein tiefer Seufzer drang über meine Lippen, als ich meine Haare zusammennahm und über die Schulter schob. Jetzt verstand ich, warum meine Mutter ihrem Leben ein Ende bereitet hatte, warum so viele vor ihr das Gleiche getan hatten. Ich wusste, warum die Harpyie in den Sumpf geflüchtet war, anstatt in die Zivilisation zurückzukehren. Allein zu sein, war weitaus besser, als die entsetzten Gesichter seiner Freunde zu sehen.
Musik wehte durch den Friedhof. Eine Blaskapelle. Trompeten. Trommeln. Becken. Noch weit entfernt.
Violets Nase zuckte. Ihre schwarzen Wimpern flatterten auf der bleichen Haut. Ihre winzige Hand krallte sich in die weiche Erde, als sie sich aufsetzte. Nachdem sie eine Strähne ihres schwarzen Pagenkopfs hinter das Ohr geschoben hatte, legte sie den Kopf in den Nacken und hielt ihr kleines Gesicht in den nebelverhangenen Himmel.
Ich rutschte ein Stück nach hinten. Die Feuchtigkeit hatte meine Kleidung durchnässt und war bis auf meine Haut gedrungen. Der Regen lief mir über das Gesicht. »Violet? Warum bist du geblieben?«
Pascal tapste in Violets Schoß. Ihre schlanken Finger streichelten dem Alligator über den Rücken, als sie ihr Gesicht aus dem Regen nahm und mich mit ihren großen schwarzen Augen ansah. »Für mich warst du wunderschön.«
Ich spürte einen Stich in meinem wunden Herz und blinzelte die Tränen weg, die mir schon wieder in die Augen schossen. Dann lachte ich leise. »Danke.« Nur Violet, nur diese kleine, schwarz gekleidete Puppe mit einer Schwäche für Reptilien und Pailletten war bereit, mich so zu akzeptieren, wie ich war.
Seit ich nach New 2 gekommen war, hatte ich nur wenig Zeit mit Violet verbracht, doch es gab eine Verbindung zwischen uns. Die, so glaubte ich, daher rührte, dass wir beide so anders waren und unsere Seelenverwandtschaft erkannt hatten. Violet war bei mir geblieben. Und in diesem Moment wusste ich, dass ich alles für sie tun würde.
»Der Umzug kommt«, sagte sie. »Der Kinderumzug. Wir sollten eigentlich auch mitlaufen.« Ihr Kopf drehte sich in die Richtung, aus der die Musik kam. »Die Dämmerung bricht gleich an.«
Gänsehaut kroch über meinen Körper. Der Nieselregen hatte den tief hängenden Nebel noch weiter nach unten gedrückt und jetzt lag er wie ein dünnes graues Leichentuch auf dem Gras. Den Himmel über mir überzogen Dunstschleier und dicke Wolken. In der Nähe stand eine alte Eiche, deren knorrige Äste wie dunkle Blitze in die Höhe ragten.
»Sie wird bald zurückkommen«, meinte Violet. »Was wirst du tun?«
Mein Blick ging zu dem Grabmal, auf dem Athene erschienen war. »Ich weiß es nicht.«
»Du solltest Sie töten.«
»Ich? Ich soll eine Göttin töten?« Ja, klar.
Violet zuckte mit den Schultern und stand auf. Nachdem sie sich das Gras und ein paar Steinchen von Kleid und Haaren gewischt hatte, rückte sie die Maske auf ihrem schwarzen Pagenkopf zurecht und ließ sie dort oben, sodass man ihr Gesicht sehen konnte.
Die Musik wurde immer lauter, doch der Nebel verbarg die Teilnehmer des Umzugs. Ich stand auf. Als ich meine Haare
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