Dein ist das Leid (German Edition)
Menge Geld, weil er schlau war. Außerdem verkaufte er Immobilien. Er hatte nicht nur einen großartigen Ruf, sondern auch große Pläne für die Zukunft. Er wusste genau, dass er auf einer Goldmine saß. Er war rechtzeitig eingestiegen. Und jetzt gingen die Immobilienpreise durch die Decke, genau wie er es erwartet hatte, weil in der Nähe das Shinnecock Indian Casino errichtet wurde. Er hatte exakt zur richtigen Zeit gehandelt.
Morano konnte sich die zukünftigen Veränderungen genau vorstellen: Sein zerfallendes Büro würde es bald nicht mehr geben; an dessen Stelle würde für Millionen Dollar ein Luxushotel treten, das Besucher aus aller Welt anziehen würde. Sein Bootsservice würde auch weiter Geld in seine Kasse bringen. Aber bald würden nicht nur Fischerboote an seinem Pier anlegen. Gecharterte Jachten würden zwischen Manhattan und hier draußen hin- und herfahren und Touristen mit Taschen voller Geld zum Casino bringen, die sich anschließend in dem Fünfsternehotel verwöhnen lassen konnten.
Alles entwickelte sich zu seinen Gunsten. Er musste nur seine Karten richtig ausspielen.
Die klapprige Tür schwang auf, und ein grobschlächtiger Handwerker kam hereinmarschiert, einen leeren Werkzeugkasten mit sich schleppend.
Für einen Beobachter sah es aus, als ob er hier irgendwelche Reparaturen durchführen wollte – die der Schuppen sicher auch nötig hatte.
Aber nach kurzer Zeit ging der Mann wieder, der ehemals leereWerkzeugkasten war jetzt mit zwanzigtausend Dollar in bar gefüllt.
Vor dem Büro holte er ein gestohlenes Handy hervor und gab eine Nummer ein. „Für heute sind die Reparaturen erledigt“, berichtete er.
„Gut“, lautete die Antwort.
Der Handwerker ging zu dem Kiesplatz, wo er geparkt hatte. Er lief an seinem Laster vorbei, hinaus aufs Dock, und schmiss das Handy ins Meer. Dann stieg er in den Wagen und fuhr davon.
Amanda eilte zurück zur Pädiatrie des Sloane Kettering in die Abteilung für Knochenmarktransplantation. Sie konnte sich darauf verlassen, dass Melissa während ihrer Abwesenheit nicht von Justins Seite weichen würde. Außerdem hatte sie in der letzten Stunde zwölf Mal nachgesehen, ob es Nachrichten auf ihrem Handy gab. Doch trotz Melissas Versicherung, dass alles in Ordnung sei, raste ihr Herz, als sie durch die Flure eilte, um sich zu überzeugen, dass Justin noch am Leben war.
Verblüfft bemerkte sie einen untersetzten Mann mit rötlicher Hautfarbe und grau meliertem Haar, der vor dem Eingang der Abteilung für Knochenmarktransplantation stand und, die Hände auf dem Rücken verschränkt, hineinlinste.
„Onkel Lyle?“ Amanda rannte auf ihn zu. „Was machst du denn hier um diese Zeit? Ist etwas passiert?“
„Nein, nichts dergleichen.“ Lyle Fenton klopfte seiner Nichte auf die Schulter. Er war kein besonders herzlicher Mensch. Nie gewesen. Er war in Armut aufgewachsen, dann zu Geld gekommen, aber er hatte sich nie eine Familie zugelegt. Doch als seine Schwester und ihr Mann bei einem Autounfall ums Leben kamen, hatte er sich für ihr einziges Kind verantwortlich gefühlt. Amanda studierte zu der Zeit noch Fotografie, und Lyle hatte bereits ein ansehnliches Vermögen aufgehäuft. Ihre Ausbildung zu bezahlen und ihre Karriere anzuschieben, war seine Art, Kontakt zu halten. Was so schon leicht genug für ihn war, da sie die Hamptons liebte und mittlerweile nur zehn Meilen von seinem Anwesen entfernt wohnte.
Trotzdem hatten sie sich nur selten gesehen. Bis jetzt.
„Ich war geschäftlich in Manhattan“, teilte er seiner Nichte mit. „Die Besprechung schloss ein Abendessen ein und zog sich bis nach zehn Uhr hin. Also bin ich mal vorbeigekommen, um zu sehen, wie es dem Baby geht. Justin. Ich war überrascht, dass du nicht da bist.“
Amanda atmete erleichtert auf. Gott sei Dank! Ihr Onkel wollte auf dem Weg zurück in die Hamptons nur mal vorbeischauen. Ihrem geliebten Baby war nichts passiert.
„Ich war nur mal für ein paar Stunden weg“, erwiderte sie. „Ein wichtiger Termin. Wie du siehst, hat meine Freundin Melissa mich bei Justin abgelöst. Sie kümmert sich um ihn, als wäre er ihr eigenes Kind.“ Amanda warf einen Blick in die Abteilung. Melissa saß an Justins Krippe und redete leise auf ihn ein.
„Was war denn so wichtig?“, fragte Lyle neugierig.
„Ich habe eine Ermittlungsagentur engagiert, um Paul zu finden.“
Das verblüffte ihren Onkel. „Paul? Aber er ist doch tot.“
„Vielleicht, vielleicht auch nicht.“
Einen
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