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Dein ist das Leid (German Edition)

Dein ist das Leid (German Edition)

Titel: Dein ist das Leid (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Kane
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es an. Eigentlich war es ihr egal, ob sie irgendwelche Nachrichten hatte. Aber sie musste nachschauen – und sei es nur in der Hoffnung auf ein Wunder aus heiterem Himmel, mit dem alle ihre Gebete erhört worden wären.
    Kein Wunder. Nur der übliche Mist, lauter Reklame, Sonderangebote, Verkaufsaktionen, einiges von Fotomagazinen. Nichts Persönliches. Alle, die sie kannten, wussten, dass sie sie jetzt nicht mit irgendetwas Geringerem als einem schweren Notfall behelligen durften.
    Augenblick. Eine persönliche Nachricht gab es doch. Eine E-Mail von einer Freundin, ebenfalls Fotografin, die seit Monaten um die Welt reiste und keine Ahnung davon haben konnte, dass Justin gerade zur Welt gekommen war. Und dass seine Krankheit Amandas ganze Welt auf den Kopf stellte.
    Sie klickte auf die Mail.
    Bin in Washington, D. C. Musste Dir das sofort schicken. Hab’s gestern mit dem Handy aufgenommen. An der Ecke 2nd Street und C Street NE. Ging leider nicht besser. Es ist Paul, da bin ich mir sicher. Schau es dir an. Ich weiß, das Baby kommt diesen Monat, aber ich dachte, Du würdest das sehen wollen.
    Amanda las die Nachricht und erstarrte. Dann klickte sie auf den Anhang, starrte auf das Display und wartete, bis das Bild runtergeladen wurde.
    Als sie es endlich sehen konnte, blieb ihr der Atem weg. Das Bild war ziemlich grob aufgelöst, wahrscheinlich aus etwa zwanzig Metern Entfernung aufgenommen. Aber scharf genug, wenn man die fotografierte Person ganz genau kannte. Und das tat sie.
    Die Person sah aus wie Paul.
    Sie zoomte so nah heran, wie es ging, musterte den Mann, der jetzt den ganzen Bildschirm einnahm, bis in die kleinste Einzelheit. Oh Gott, es war tatsächlich Paul.
    Ein Tsunami widerstreitender Gefühle brach über sie herein. Aber sie kämpfte sich durch die Sturzflut. Denn ein Gedanke drängte alle anderen in den Hintergrund.
    Was könnte das für Justin bedeuten? Es war nicht mehr als ein Strohhalm, nach dem sie verzweifelt griff. Aber für Amanda war es ein Rettungsseil.
    Sie suchte in ihrer Tragetasche nach dem Zettel, den sie seit letztem April mit sich herumschleppte. Es war längst außerhalb der Geschäftszeiten, aber das war ihr egal. Sie wusste, wenn es nicht anders ging, würden die rund um die Uhr arbeiten. Aber sie wollte nicht anrufen; sie wollte ihnen gar nicht erst die Chance geben, sie abzuweisen.
    Sie faltete den Zettel auseinander und riss gleichzeitig die Aktenmappe aus der Tasche, die sie immer bei sich hatte – nur für den Fall, dass sie ihre Idee jemals verwirklichen wollte. Da war alles drin. Und jetzt war es nicht mehr bloß eine Idee.
    Auf dem Handy drückte sie die Schnellwahltaste und rief Melissa an, ihre älteste und beste Freundin, die hier in Manhattan lebte und die sie nie im Stich lassen würde.
    „Lyssa“, sagte sie, als sie die Stimme ihrer Freundin vernahm. „Du musst rüberkommen und mich ablösen. Es geht nicht um Justin. Ihm geht’s gut. Könntest du sofort kommen?“ Bei der Antwort wurden ihr vor Erleichterung die Knie weich. „Danke. Es ist ein Notfall.“

2. KAPITEL
    Eiskalte Luft. Kahle Bäume. Die Straße in Tribeca glitzerte vor Weihnachtsbeleuchtung.
    Das Triangle Below Canal Street in Downtown Manhattan, ursprünglich ein Industriebezirk, war zu einem Künstlerviertel mit vielen Ateliers in den Lofts, Galerien und Restaurants geworden, in dem Prominente wie Robert De Niro, Mariah Carey oder Beyoncé lebten. Doch abends um Viertel nach neun war das vierstöckige Sandsteingebäude, in dem sich die Büros von Forensic Instincts befanden, ein abgeschiedener Zufluchtsort, isoliert vom lärmenden Dschungel der Großstadt. Zu beiden Seiten des Hauses standen zwei ausgreifende Weidenbäume, die ihm einen so friedvollen Anschein verliehen, dass es eher wie ein gemütliches Heim wirkte und nicht wie die Zentrale von Forensic Instincts .
    Heute Nacht war es sogar noch ruhiger als sonst. Casey Woods, die Chefin der Agentur, erledigte mit einigen Freunden Weihnachtseinkäufe. Der größte Teil des hoch spezialisierten Teams hatte längst Feierabend gemacht. Alle waren noch dabei, sich von den aufregenden Fällen zu erholen, die ihnen in den letzten anderthalb Monaten zugesetzt hatten – allen voran die Ermittlung in einem nervenaufreibenden Entführungsfall.
    Marc Devereaux war im Augenblick als einziges Mitglied des Teams von Forensic Instincts vor Ort. Und er war überhaupt nicht bei der Arbeit. Stattdessen machte er in einem der leeren Konferenzräume hundert

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