Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
Eier.«
»Er ist auch verletzt.«
»Armes Lämmchen.«
»Er hat das gut gemacht.«
»Er ist nicht Sie.« Sie zuckt die Achseln und lässt unausgesprochen, was sie eigentlich meint.
McAvoy kann nicht mehr an sich halten. Er deutet auf die Papiere, die sie umklammert. »Der Technikbericht?«, fragt er unbehaglich.
»Ja. Per E-Mail um drei Uhr morgens. Eine kleine Mitteilung von einem Computerfreak, der mich wissen lassen wollte, wie sehr er sich reingehängt hatte, dazu die Infos, die ich angefordert hätte. Alles auf Kosten meines Budgets.«
McAvoy reibt sich übers Gesicht. Merkt dann, dass er auf dem Fleisch zwischen Daumen und Zeigefinger herumkaut.
»Das ist der Fall, von dem ich Ihnen erzählt hatte, Chefin«, sagt er. »Sie meinten, ich solle mir die Sache mal ansehen.«
Pharaoh fährt mit der Zunge an der Innenseite der Unterlippe entlang. Trotz ihrer Verletzungen hat sie Make-up aufgelegt. Er fragt sich, wie sie das geschafft hat. Und warum sie sich die Mühe macht, wenn sie nur kommt, um ihren Sergeant zurechtzustauchen.
»Sagt Ihnen der Ausdruck ›Landplage‹ etwas, Aector?«
McAvoy greift nach der Frage wie nach einem Rettungsring. »Der Begriff leitet sich von den zehn biblischen Plagen ab. Da wird zunächst alles Wasser zu Blut und damit ungenießbar, dann kommen Frösche und Stechmücken, schließlich Pest und Blattern, und am Ende …«
»Nein, Aector. Sie sind die Landplage. Meine Landplage. Ich verbringe sehr viel Zeit damit, mir zu überlegen, ob ich Ihnen den Kopf abreißen soll.«
McAvoy verstummt.
Sie sieht ihn durchdringend an. Lässt den Blick durchs Zimmer huschen. Einen Sekundenbruchteil bleibt er an dem seidenen Nachthemd mit Leopardenmuster kleben, das über dem Fußende des Betts hängt.
»Ich wage es ja kaum, Ihr großes Hirn danach zu fragen, aber gibt es vielleicht einen Landrattenausdruck für Jonas? Sie wissen schon, der mit dem Wal?«
»Wollen Sie das wirklich wissen?«
»Nein«, antwortet sie. »Ich will nur andeuten, dass Sie die Scheiße anziehen wie ein Magnet.«
McAvoy lässt die Papiere nicht aus den Augen, während sie damit herumfuchtelt. Er kann es kaum erwarten, sie zu entrollen und den verborgenen Text zu dechiffrieren. »Ich dachte, es wäre wichtig.«
Pharaoh lächelt und verdreht die Augen zum Himmel. »Es ist wichtig. Sie hatten recht. Sie haben fast immer recht. Das ändert nichts daran, dass ich Ihnen etwas antun möchte.«
McAvoys Haut prickelt. Er weiß nicht, ob ihm seine Gesichtsmuskeln gehorchen, also bleibt er still stehen und sieht erwartungsvoll drein. »Ich hatte recht?« Er wagt nicht, zu fragen, welche seiner halb ausgegorenen Theorien und vagen Bauchgefühle sich bestätigt haben.
»Was Simon Appleyard betrifft«, sagt Pharaoh, löst sich von der Wand und setzt sich ungefragt auf sein Bett. Er seinerseits steht auf. Es fällt ihm schwer, angesichts der Intimität des Augenblicks nicht knallrot zu werden. Seine Chefin, hier, in seinem Schlafzimmer. Die Familie unten. Worte, die sein Ego mit zarter Hand streicheln.
»Er wurde ermordet?«, fragt McAvoy und lehnt sich instinktiv an der Stelle an die Wand, die sie gerade frei gemacht hat.
Pharaoh zuckt die Achseln. »Es wäre möglich. Insofern hatten Sie recht. Ich habe noch einmal mit der Pathologin gesprochen. Sie hat mir Fotos der Leiche und des Obduktionsberichts gemailt. War ein hübscher Junge, nicht wahr?«
»Sein Rücken, meinen Sie? Die Tätowierungen?«
»Ja, tolle Arbeit. Irgendwann muss ich Ihnen mal meine zeigen. Na egal, ich verstehe ja, wie die Dame es übersehen konnte, aber irgendwann wird sie ihren Rüffel kriegen.«
»Was übersehen?«
»Den blauen Fleck«, erwidert Pharaoh und wühlt in ihren Papieren.
McAvoy stößt sich von der Wand ab und setzt sich neben sie aufs Bett. Erschnuppert einen Hauch ihres Parfüms. Bemerkt, dass sie vorne offene Schuhe trägt statt ihrer üblichen Bikerstiefel und dass sie nicht so hübsche Füße hat wie seine Frau. Warum denkt er überhaupt über solche Dinge nach?
»Hier kann man es sehen«, sagt sie und zieht einen Farbausdruck heraus.
McAvoy betrachtet das Foto des jungen Mannes, dessen Tod ihn so beunruhigt hat. Simon liegt nackt auf einem Stahltisch. Das klinische Aluminium und Weiß des Obduktionssaals wirken wie ein Rahmen für die exotischen Farben seines Körpers. Lassen seine schlanke Gestalt beinahe ausgemergelt erscheinen. McAvoy starrt die riesige Tätowierung an. Kneift die Augen zusammen und erkennt zwischen
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