Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
Zeiten, wo er deprimiert war, das geht uns allen so, aber es war für jeden, der ihn kannte und liebte, ein Schock, dass er derart unglücklich war. Er hatte doch noch so viel vor sich. Er war immer voller Leben und Fröhlichkeit. Ein offener und geselliger Mensch, mit einem liebenswürdigen Wesen. Ich weiß nicht, was ich tun soll, jetzt, da er mich nicht mehr zum Lachen bringt.«
Wie das Gericht vernahm, war Mr Appleyard als Teenager wegen Depressionen in Behandlung und bekam zweimal Antidepressiva verschrieben. Als Jugendlicher hatte er Schwierigkeiten, seine Sexualität zu akzeptieren, und es kam zum Streit mit seinen Eltern, als er sich mit neunzehn als homosexuell outete.
Obwohl kein Abschiedsbrief gefunden wurde, beweisen Textnachrichten, die dem Gericht von Mr Appleyards Vater vorgelegt wurden, dass er sich in den Wochen vor seinem Tod ungeliebt fühlte und Selbstmordgedanken hegte.
Der Vater, Kevin Appleyard, der aus Derbyshire zur Anhörung anreiste, sagte: »Er meinte, er wäre eine Enttäuschung. Dass wir ohne ihn besser dran wären. Sagte, ich könne ihn nicht so akzeptieren, wie er war. Ich wünschte nur, ich könnte ihn noch ein einziges Mal in den Arm nehmen …«
Suzie wendet sich ebenso angewidert vom Bildschirm ab wie schon beim ersten Mal, als sie diesen Haufen Lügen gelesen hat.
Es macht sie krank, dass Simons Vater in dem Artikel überhaupt erwähnt wird. Es ekelt sie an, dass der Mann, der ihren Freund durch seine ganze Kindheit hindurch geschlagen und gequält hat, es wagt, so zu tun, als hätte er seinen Sohn jemals in den Arm genommen. Sie fragt sich, ob Kevin Appleyard so vorausschauend war, den Namen in seinem Telefon von »Schwuchtel« in »Simon« umzuändern, bevor er es dem Coroner zur Überprüfung gab.
In der Ecke des Bildschirms wird eine E-Mail angezeigt. Instinktiv klickt sie sie an.
Klappt es am Freitag? Kommen schon langsam in Stimmung? Xx
Die Nachricht stammt von einem Pärchen, das sie nur als J & J kennt. Die männliche Hälfte ist ein unattraktiver blonder Typ mit Leeds-United-Tattoos und schlechter Rechtschreibung. Die weibliche »J« ist eine plumpe Brünette mit gepiercten Brustwarzen und Brille. Sie haben sich vor vielleicht einem Jahr auf einer Party kennengelernt. Die beiden waren recht lustig und wohnten nahe genug bei ihr und Simon, dass es sich lohnte, sich mit ihnen anzufreunden. Diese Strategie hatte ihnen ein Vermögen an Sprit gespart.
Sie fragt sich, ob sie die Mail ignorieren und sich lieber auf ihre Sorgen und Nöte konzentrieren sollte. Schafft es ganze zehn Sekunden, sich zurückzuhalten, bevor sie beschließt, dass sie nichts Besseres zu tun hat, als eine Antwort zu texten.
Hallo, ihr. Bin nicht sicher. Fühle mich nicht wohl. Würde vermutlich die Stimmung töten. XX
Sie drückt auf »Senden«.
Wartet eine Minute, während sie mit den Fingern auf die Tischplatte trommelt. Sie nimmt sich noch einen Keks. Liest noch einmal den Bericht in der Hull Daily Mail über die Fahrerflucht, schließt ihn dann angeödet. Eine Weile starrt sie den Bildschirm an, als würde sie mit sich kämpfen, dann klickt sie einen der »Favoriten« in ihrem Internetbrowser an. Sie gelangt auf die Xanadu -Homepage.
Wie immer spürt sie ein Hochgefühl der Erregung. Im Foto in der Bildschirmmitte sieht man eine Gruppe von Männern und Frauen im mittleren Alter. Ihre Gesichter sind verpixelt, sie haben absolut durchschnittliche Figuren und sind schamlos nackt. Grinsen breit und recken für die Kamera alle den Daumen in die Höhe.
Die flachen grünen Felder von Lincolnshire im Hintergrund lassen das Bild wie eine Postkarte erscheinen. Es fehlt nur ein Slogan.
»Wir sind fett und kriegen nie genug«, hatte Suzie Simon einmal vorgeschlagen.
Oder, auf die Thumbnail-Abbildung einer 61-jährigen Frau mit Narrenmaske in einer Liebesschaukel deutend: »Macht das meinen Hintern etwa fett?«
Komm schon, Blossoms. Ohne dich ist es keine Party. XX
Suzie muss lächeln. Freitagnacht findet im Xanadu eine Geburtstagsparty statt. Die Besitzerin, eine Steuerbeamtin mit matronenhaften Titten und einer Vorliebe für Nippelklemmen, wird fünfzig. Christine und ihr Mann, Big Dunc, betreiben das Xanadu jetzt seit acht Jahren. Für einen Swingerclub ist es ziemlich vornehm. Auf etwa 12 000 Quadratmetern, drei Kilometer weit vom nächsten Haus entfernt, ist es Lincolnshires bestgehütetes Geheimnis. Christine und Big Dunc veranstalten drei Treffen pro Woche. Eines für Paare, eines für
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