Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
Tochter einen Kuss und wartet, bis Cabourne ihm in die Augen sieht.
»Kannten Sie Simon Appleyard?«
»Keine Ahnung«, zischt Cabourne zornig. »Scheiße!«
McAvoy weist auf seine Tochter. »Bitte fluchen Sie nicht.«
Cabourne reibt sich das Gesicht und entschuldigt sich. Er trinkt noch einen Schluck Wasser. Steckt die Nase ins Glas, als McAvoy ein Foto von Simon über den Tisch schiebt. Es ist eine Fotokopie des Bildes, das die Tante des Toten ihm gegeben hat.
Cabourne zuckt die Achseln. Wendet den Blick ab.
»Kannten Sie Simon?«
Cabourne zwingt sich, das Foto anzusehen. »Es war dunkel.«
»Wann?«
»Immer!«
Sie mustern sich gegenseitig und versuchen abzuschätzen, wie viel der andere weiß.
»Sie haben sich mit Männern zum Sex getroffen«, flüstert McAvoy, der sich Lilahs Nähe bewusst ist. »Stimmt das?«
Cabourne trinkt einen Schluck von seinem Kaffee. Begegnet dem Blick des Detective. »Männer. Keine Jungs.«
»Simon war sechsundzwanzig.«
»Das habe ich nicht gemeint. Ich meine, es ist nicht illegal.«
»Nein, das ist es nicht.«
Cabourne wendet als Erster den Blick ab. »Ich liebe meine Frau«, sagt er. Er klingt plötzlich bemitleidenswert. »Jedenfalls glaube ich das. Wir sind schon so lange zusammen. Es war nur …«
»So ein Ding?«
»Genau. Ich habe sie nie mit einer Frau betrogen. Nicht richtig.«
»Nicht richtig?«
»Nur wenn sie auch dabei waren.«
»Wo?«
»Bei den Partys!«, sagt er genervt. »Die Clubs. Die Verabredungen.« McAvoy hebt Lilah wieder in ihren Sitz zurück. Kratzt sich am Kopf. Lässt die Puzzleteilchen ineinanderfallen.
»Sexpartys. Das ist es, worüber Ed Cocker recherchiert?«
»Es kann nicht anders sein!«
»Partys, die Stadtrat Hepburn organisiert?«
»Er organisiert sie nicht«, verteidigt sich Cabourne. »Warum sollte er? Er kann alles haben, was er will. Sich nehmen, was er will.«
Cabourne schnieft. McAvoy reicht ihm eines von Lilahs Wischtüchern. Er nimmt es dankbar an und säubert sich damit das Gesicht.
»Stadtrat Cabourne, langsam dreht sich mir der Kopf. Wovor haben Sie eigentlich Angst?«
Cabourne blickt blinzelnd auf.
»Playmatez«, flüstert er. »Ich wollte es nur mal ausprobieren. Ich hatte immer diese Phantasie …«
McAvoy nickt, ohne sein Interesse zu erkennen zu geben. »Sie haben eine Website besucht, ja? Eine Kontaktbörse?«
»Ich wollte es mal versuchen. Alle waren aus dem gleichen Grund da. Es kostete nichts. Ich muss betrunken gewesen sein, als ich mich anmeldete. Schrieb ein paar Worte über mich und meine Vorlieben. Zuerst dachte ich nicht einmal darüber nach. Gab meine private E-Mail-Adresse an.«
»Und?«
»Und ich bekam massenhaft Antworten. Männer und Frauen! Ich hatte nicht einmal angegeben, dass ich Mädchen mochte, aber sie meldeten sich haufenweise, angeturnt allein von dem Gedanken. Einigen der Männer habe ich geantwortet. Sagte, dass ich neu bin. Wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte oder was ich wollte. Sagte, dass Diskretion alles sei …«
»Sie haben sich mit jemandem getroffen?«
Cabourne trinkt seinen Kaffee aus und sieht weg. »Ein billiges Hotel in der Nähe von Goole«, sagt er. »Ein verheirateter Mann, der dasselbe wollte wie ich.«
»Und?«
Cabourne zuckt die Achseln. Kein Funken Stolz ist ihm geblieben. »Ich wollte mehr. Traf andere.«
»Wann hat das angefangen?«
»Vor einem Jahr vielleicht. Nicht länger.«
»Simon«, sagt McAvoy und nickt wieder zu dem Foto hin. »Haben Sie sich je mit Simon getroffen?«
Cabourne greift nach dem Bild. »Nein«, sagt er schließlich. »Tut mir leid. Nein. Ist das der tote Mann?«
»Haben Sie je dieses Posting gelesen?«
McAvoy schiebt Cabourne ein Blatt Papier hin. Die Lippen des Stadtrats zucken, als er es durchliest. Es ist Simons Annonce auf der Playmatez-Site. Die Einladung, ihn ihm reinzustecken, und eine Telefonnummer.
»Da klingelt etwas«, beginnt er unverbindlich.
»Haben Sie auf die Anzeige reagiert?«
»Möglich«, erwidert er mit einem Achselzucken, das keineswegs gefühllos ist. »Ich habe auf so viele reagiert.«
McAvoy sieht sich um. An einem Tisch links von ihm hängen Ballons, alles ist schon für eine Party später am Tag vorbereitet. Hinter den hölzernen Jalousien hat der Regen vorübergehend aufgehört. Shopper und Restaurantbesucher laufen in Hemdsärmeln vorbei. Manche sogar in T-Shirts. Er möchte jetzt in der Sonne sein. Nicht hier, wo die Wolken sich zusammenziehen und die Luft nach Regen
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