Dein ist die Rache
Zuckt zusammen, als die glänzenden Seiten sich in der Decke verfangen und ein reißendes Geräusch ertönt.
Legt die Zeitschrift aufs Bett, aufgeschlagen beim Bild des Politikers und seiner Frau.
Sie muss Georgie-Lee nicht weiter fragen. Das ängstliche Zittern einer bösen Erinnerung, das ihr übers Gesicht huscht, reicht völlig aus.
Suzie steht kopf. Das Blut sammelt sich in ihrem Schädel, und sie hört sein donnerndes Rauschen in den Ohren, übertönt nur von dem gellenden Kreischen im Wohnzimmer.
»Gib auf. Du hast keine Chance …«
Sie gehorcht. Sie rollt sich zurück, ergibt sich mit atemlosem, lautem Schnaufen.
Sie und Roisin veranstalten einen Kopfstandwettbewerb auf dem Sofa, und Lilah lacht so laut, dass die Gefahr besteht, dass ihr mindestens ein Auge aus dem Kopf fällt.
»Tut es wirklich nicht weh?«, fragt Roisin, als sie wieder normal dasitzen und dem kichernden Baby Gesichter schneiden.
»Tut sowieso weh.« Suzie zuckt die Achseln. »Da kann ich auch kopfstehen.«
Roisin nickt und scheint über die Aussage nachzudenken. »Das gefällt mir. Das sollten wir auf ein T-Shirt drucken lassen.«
»Oder auf einen Slip.«
Sie kichern wie zwei alte Freundinnen.
Roisin und Suzie haben kaum persönliche Geschichten ausgetauscht. Sie haben nicht nach den Geheimnissen der anderen geforscht. Roisin weiß nur, dass diese verrückte junge Frau jemand ist, den ihr Mann beschützen möchte. Sie zweifelt nicht an ihm. Suzie kommt ihr vor wie jemand, durch den die Welt besser wird.
Suzie ihrerseits hält Roisin für den vielleicht nettesten Menschen, der ihr je begegnet ist. Sie möchte es ihr sagen. Platzt damit heraus, als das zierliche, dunkelhaarige Zigeunermädchen sich die Haare im großen Spiegel über dem Kamin richtet.
»Du bist toll«, sagt sie. »Ich kann gar nicht glauben, dass ich wieder lachen kann. Herumalbern.«
»Wir sind eine alberne Familie«, sagt Roisin und lässt die Lippen auf Lilahs Bauch brummen.
»Ich bin nicht sicher, ob dein Mann albern ist«, sagt Suzie vorsichtig. »Er wirkt recht ernsthaft.«
Roisin lächelt warm, als würde sie ein Bild betrachten, das niemand sonst sehen kann. »Was manche Dinge angeht, ist er ernsthaft. Aber oft ist er einfach ein großer Kindskopf.«
»Und das ist in Ordnung so?«, fragt Suzie.
»Es ist nett, jemanden zu haben. Nett, herumzualbern.«
Suzie betrachtet sich selbst im Spiegel. Sie trägt eines von McAvoys Hemden und Roisins Leggings. Sie hat kein Make-up aufgelegt, aber Roisin hat geschworen, das nach dem Lunch zu ändern. Sie fühlt sich seltsam in diesem unvertrauten Spiegelbild. Ein unscheinbares Gesicht und unauffällige Haare. Bequeme Klamotten und unsichtbare Tattoos.
»Glaubst du, mir würden schwarze Haare stehen, so wie deine?«, fragt sie.
Roisin überlegt. »Vielleicht ein bisschen streng für dich. Du hast ein warmes Gesicht, brauchst eine warme Farbe. Deine Haare passen gut zu dir.«
Suzie lächelt. »Danke.«
Roisin holt Lilah aus ihrem Laufstall. Tut so, als wollte sie sie in den Bauch beißen. »Willst du sie mal halten?«
Suzie schüttelt den Kopf. »Ich spiele lieber weiter den Clown. Ich bin ungeschickt.«
»Aector auch. Du solltest mal sehen, wenn er versucht, Kleingeld für die Maut an der Brücke rauszusuchen. 5-Pence-Stücke kann er nicht. Seine Hände sind zu groß. Macht ihn wahnsinnig.«
Sie sagt es nicht kritisch. Für Roisin scheint die Ungeschicklichkeit ihres Mannes in jeder Hinsicht ebenso liebenswert zu sein wie seine Stärke.
»Du musst dich sehr sicher fühlen bei ihm«, sagt Suzie und fragt sich sofort, ob sie eine unsichtbare Grenze überschritten hat.
Roisin sieht sie merkwürdig an. Lächelt. »Ohne ihn gibt es keine Welt.«
Sie teilen einen besonderen Moment, zwei neue Freundinnen. Noch während sie vor dem Spiegel stehen und sich gegenseitig loben, prasseln die ersten paar Handvoll frischen Regens gegen die Scheiben. Überrascht von dem Ansturm, treten sie ans Fenster.
»Es ist plötzlich so dunkel«, sagt Suzie und starrt erstaunt in die Düsternis. »Könnte glatt Nacht sein.«
»Dann wird es ein guter Sommer«, prophezeit Roisin. »Scheußlicher Frühling, warmer Sommer.«
»Ist das wahr?«
Roisin zuckt die Achseln. »Nein. Aber wenn wir es oft genug sagen, kommt es irgendwann so.«
Noch während ihrer Worte ertönt das Quietschen von Reifen, und ein viel zu schnell fahrender Wagen schießt in einer Wasserfontäne um die Kurve in das kleine Wohngebiet. Ungemütlich dichtauf
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