Dein ist die Rache
das sein mochte. Sie beteiligten sich an den Spielen des anderen und lachten über ihre Abenteuer. Mit anderen Bekannten konnten sie über diese Dinge nicht reden. Hielten es nicht aus, von ihnen verurteilt zu werden oder, noch schlimmer, analysiert. Wollten sich keine entgeisterten Überlegungen anhören, welche Leere in ihrem Herzen oder welche verdrehte Windung in ihrem Gehirn wohl dafür verantwortlich sein mochten, dass sie sich solchem Missbrauch, solchen Erniedrigungen aussetzten. Suzie will lieber nicht so genau darüber nachdenken. Weiß nur, dass sie nach vielen Jahren in Schwarzweiß ihr Leben jetzt in Farbe lebt.
»Wünschte, du wärst bei mir, Si. Was mache ich hier nur?«
Auf dem Parkplatz stehen zwei Fahrzeuge. Ein großer Kombi parkt rechts von Suzie im Schatten des Walls aus Geröll und Erde, der das Gelände vor Blicken schützt und es so attraktiv macht. Scheinwerfer und Motor sind eingeschaltet.
Weiter entfernt sieht sie die Umrisse eines anderen Autos. Es ist groß und massig, und die Lichter sind aus, so dass man niemanden darin erkennen kann.
Suzie hat mit halbem Ohr Radio gehört. Unten am St. Andrew’s Quay hat es eine Art Unfall gegeben. Ein Molotowcocktail flog gegen einen Polizeitransporter, und zwei Beamte mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Sie hofft inständig, dass es der Wagen mit der Radarfalle war.
Sie atmet tief durch. Stellt den Wagen in der Nähe des Kombis ab. Fragt sich, wen sie ficken wird.
Im Strahl ihrer Scheinwerfer sieht sie, dass der Fahrer ziemlich groß ist. Sie schätzt ihn auf ein mittleres Alter. Eigentlich spielt es auch keine Rolle.
Sie schließt die Augen und versucht, sich zu beruhigen. Sie hat schon versautere Dinge getan als das hier. Riskantere Spiele gespielt. Aber früher war immer Simon da, um ihr die Hand zu halten.
»Gott, du fehlst mir so.«
In den ersten Wochen ohne ihn hatte sie keine Lust mehr auf diese Dinge gehabt. Sie loggte sich auf keiner der Websites ein, auf denen sie sonst so viel Spaß hatte. Schickte keine frivolen Nachrichten und setzte keinen einzigen Kuss ans Ende einer E-Mail. Aber als die Trauer erträglicher wurde, kehrte das Verlangen zurück. Es flossen Tränen, als sie ihre erste Swingerparty ohne ihn besuchte, aber nicht so sehr, dass sie gehemmt gewesen wäre. Sie hatte sich vergnügt. Neue Freunde gewonnen. Versprochen, zum nächsten Treffen wiederzukommen. Hatte sogar ihrem heutigen Spielgefährten mitgeteilt, dass sie sich über seine Begleitung freuen würde.
Das Telefon auf dem Beifahrersitz piepst, und Suzie schreckt auf. Sie liest die Nachricht.
»Geh und mach ihn glücklich.«
Die Spannung verursacht ihr eine Gänsehaut. Sie nimmt ihre High Heels und streift sie über die kalten Füße. Ihre Finger zittern, als sie die Schnallen schließt. Mit einem schnellen Blick auf ihr verschwommenes Spiegelbild im dunklen Rückspiegel steigt sie aus dem Wagen.
Eine Windbö zerrt an den Schößen ihrer Lederjacke, und auf unsicheren Beinen stakst sie mit ihren hochhackigen Schuhen über den Asphalt. Nach ein paar Schritten hat sie das andere Fahrzeug erreicht.
Der Mann im Auto beobachtet sie. Er stößt mit dem Scheitel fast ans Wagendach. Sein Gesicht ist schmal und verkniffen, und er trägt eine randlose Brille. Außerdem einen hübschen Anzug mit gelockerter Krawatte, die fast bis zur Brustmitte herunterhängt. Sein Gesicht ist gerötet, und unter seinen schütteren Haaren glänzt Schweiß auf der Kopfhaut. Als er das Fenster herunterfährt, schlägt Suzie der Geruch von Alkohol entgegen. Während sie sich zu ihm beugt, sieht sie, dass der Mann bereits die Hose geöffnet hat.
»Lust auf ein Spielchen?«
Noch während sie die Worte ausspricht, missfallen sie ihr.
Der Mann wirkt verblüfft, und Suzie fragt sich, ob er wirklich erwartet hatte, heute Nacht hier Sex zu haben, oder nur aus Neugierde gekommen ist.
»Was schlägst du vor?«
Seine Stimme klingt verwaschen. Ob Alkohol oder Nervosität der Grund ist, kann sie nicht beurteilen.
»Es ist so kalt hier draußen.« Suzie versucht, sexy zu klingen.
»Willst du reinkommen?«
Suzie denkt an ihre Anweisungen. Fragt sich, ob ihr neuer Freund zusieht. Sitzt er in dem weiter hinten stehenden Auto und grinst, weil sie seine Phantasie wahr macht, ohne auch nur sein Gesicht zu kennen?
»Komm du lieber raus zu mir. Die Motorhaube wirkt uuuunglaublich bequem.«
Der Mann kämpft mit der Autotür. Als er aussteigt, kullert eine halbvolle Flasche Jack Daniel’s
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