Dein ist die Rache
erst vor ein paar Sekunden an. Keine Ahnung, wo er einen Parkplatz gefunden hat, aber ich glaube, er ist gerannt.«
»Und was tut er jetzt?«
Die Beamtin setzt ihren Hut ab und schüttelt voller Bewunderung den Kopf.
»Er veranstaltet gerade ein Tauziehen mit dem Pferd.«
Detective Sergeant McAvoy hatte das mit der Zivilkleidung in den ersten Monaten seiner neuen Laufbahn ausgesprochen wörtlich genommen. Er tarnte sich mit khakifarbenen Hosen, Wanderstiefeln und Hemden in Pilztönen, die er jeden Montag frisch aus der Zellophanhülle zog. Mit seinen eins fünfundneunzig, den roten Haaren, Sommersprossen und dem Highlander-Schnurrbart ist er unweigerlich der auffälligste Mann im Raum.
Erst seine junge Frau Roisin hat seinen Bemühungen, mit der Umgebung zu verschmelzen, ein Ende bereitet. Sie sagte ihm, als gutaussehender großer Kerl sei er es sich schuldig, sich nicht anzuziehen wie ein »gottverdammter Bibelverkäufer«. Roisin kann gut mit Worten umgehen.
Trotz aller Vorbehalte hat er zugelassen, dass sie ihn ausstaffiert wie ein Kind, das mit seiner Puppe spielt. Unter ihrer Anleitung, wegen jeder Veränderung seiner Garderobe peinlich berührt, wurde McAvoy bei der Polizei ebenso berühmt für seine eleganten Anzüge und den Kaschmirmantel, die Lederumhängetasche, Krawatten und Manschettenknöpfe wie für seine detektivischen Fähigkeiten und im Dienst erworbenen Narben.
Als er hier jetzt flach auf dem Rücken liegt und in die rollenden Wolken blickt, die Mantelaufschläge voller Schlamm und Hengstspeichel, ein Hosenbein seines dunkelblauen Anzugs voller Pferdescheiße, wünscht er sich sein Khaki zurück.
McAvoy versucht, die anfeuernden Rufe der Zuschauer zu ignorieren, und rappelt sich wieder auf.
»Na warte, du Sauvieh …«
Er war gerade unterwegs gewesen zu einer Sitzung der Polizeidirektion, als er den Anruf erhielt. Einem der Constables, der die entflohenen Tiere zusammentreiben sollte, war der Geduldsfaden gerissen, als ihn eine Stute gegen den Altglascontainer drängte, und er beschloss, dass es Zeit wurde, sich einen Spezialisten zu suchen. Er hatte einmal mit McAvoy zusammengearbeitet, oben im Orchard-Park-Viertel. Ihr Auftrag lautete, den Tatort eines Verbrechens zu sichern, bis die Spurensicherung kam. Die Nachbarn hatten sie nicht gerade mit offenen Armen willkommen geheißen. Sie hatten Beschimpfungen über sich ergehen lassen, und auch die ersten paar Flaschen und Dosen, die durch die Luft flogen, aber als ein zähnefletschender Staffordshire-Terrier auf sie gehetzt wurde, hielt nur McAvoy die Stellung, während der jüngere Beamte gleichsam versuchte, in die Ziegelwand hinter sich hineinzukriechen. Der hünenhafte Schotte hatte sich auf die Knie fallen lassen und sich dem Hund gestellt, die Augen weit aufgerissen und dem Terrier die offenen Handflächen entgegengestreckt. Dann hatte er sich flach auf das rissige Pflaster gedrückt, unterwürfig, keine Bedrohung mehr. Der Hund war stehen geblieben wie vom Donner gerührt, und als die Verstärkung endlich eintraf und die Menge verscheuchte, lag er auf dem Rücken und ließ sich von McAvoy mit großen, rauen Händen den Bauch kraulen. Der junge PC hatte sich McAvoys Namen gemerkt. Es konnte sich irgendwann einmal lohnen, einen solchen Mann zu kennen. Heute, hatte er gedacht, dieser Zeitpunkt wäre gekommen, und rief den hünenhaften Schotten an.
McAvoy, der sich auf einen Wettkampf im Kopfstoßen mit einer wild gewordenen Antilope eingelassen hätte, wenn er sich dadurch vor der Besprechung in der Polizeidirektion drücken konnte, hatte nur allzu bereitwillig seinen Wagen stehen gelassen und war zum Schauplatz gesprintet.
Er lockert die Muskeln. Dehnt die Arme und lässt die Halswirbel knacken. Die zusehenden Autofahrer geben Anfeuerungsrufe von sich, und McAvoy bemerkt angewidert, dass viele Zuschauer die Szene mit ihren Handys auf Video aufnehmen.
»Knallt das Biest einfach ab«, ertönt eine Stimme irgendwo in dem Durcheinander. Der Vorschlag findet murmelnde Zustimmung.
»Könnt ihr es nicht betäuben?«
»Aber ich habe einen Zehner auf den großen Burschen gesetzt!«
McAvoy versucht, die Stimmen zu ignorieren, doch das Gelächter und kollektive Aufstöhnen, als er von dem angreifenden Hengst flach auf den Rücken geworfen wurde, hat ihm die Röte von frischen Preiselbeeren in die Wangen getrieben.
»Wenn ihr das Pferd erschießt, reiße ich euch die Augen raus.«
Die Stimme mit ihrem unverwechselbaren Akzent hat einen
Weitere Kostenlose Bücher