Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Oliver war sehr fleißig.« Sie weist auf einen Punkt auf der Karte. »Gestern Abend um 19.00 Uhr begann Christine Wheelers Handy Signale zu einem Funkturm etwa vierhundert Meter von hier entfernt zu senden. Es ist dasselbe Telefon, mit dem sie am Freitagnachmittag das Haus verlassen hat. Es hat sich nicht mehr gemeldet, seit das Signal in Leigh Woods ausgeschaltet wurde und Christine auf das zweite Handy wechselte.«
»Jemand hat es benutzt?«, frage ich.
»Um eine Pizza zu bestellen, die zu einer Wohnung geliefert wurde, in der ein gewisser Patrick Fuller lebt, ein Exsoldat. Er wurde aus der Armee entlassen, weil er vom Temperament her ungeeignet gewesen sei.«
»Was heißt das?«
Sie zuckt die Achseln. »Das ist Ihr Gebiet, nicht meins. Fuller wurde vor etwa einem Jahr bei einem Bombenanschlag an einer Straße im Süden Afghanistans verwundet. Zwei Soldaten seines Zugs kamen ums Leben. Eine Krankenschwester in einem Militärhospital in Deutschland beschuldigte ihn, sie begrapscht zu haben. Die Armee entließ ihn.«
Ich betrachte die beiden grauen Betontürme, die wie Inseln am langsam heller werdenden Himmel aussehen.
DI Cray redet immer noch.
»Vor vier Monaten hat Fuller seinen Führerschein verloren, nachdem er positiv auf Kokain getestet wurde. Etwa zur selben Zeit hat ihn auch seine Frau verlassen und die beiden Kinder mitgenommen.«
»Wie alt ist er?«
»Zweiunddreißig.«
»Kennt er Christine Wheeler?«
»Wissen wir nicht.«
»Und was passiert jetzt?«
»Wir verhaften ihn.«
Der Wohnturm hat ein Treppenhaus und einen Fahrstuhl. Der Hintereingang riecht nach aufgeplatzten Mülltüten, Katzenpisse und feuchten Zeitungen. Patrick Fuller wohnt im vierten Stock.
Ein Dutzend Polizisten in Kampfmontur nimmt die Treppe. Vier weitere Beamte benutzen den Fahrstuhl. Ihre Bewegungen sind bis ins Letzte choreografiert, Resultat monatelanger Ausbildung. Trotzdem wirkt das Ganze übertrieben und unnötig, wenn man bedenkt, dass der Mann bisher nicht wegen Gewalttätigkeit auffällig geworden ist.
Vielleicht ist das die Zukunft - ein Vermächtnis des 11. Septembers
und der Bombenanschläge in der Londoner U-Bahn. Die Polizei klopft nicht mehr an die Tür und bittet Verdächtige höflich mit auf die Wache. Stattdessen legen sie gepanzerte Rüstungen an und brechen Türen mit Rammböcken auf. Privatsphäre und persönliche Freiheit sind weniger wichtig als die öffentliche Sicherheit. Ich verstehe die Argumente, aber ich vermisse die alten Zeiten.
Der Einsatzleiter hat die Wohnungstür erreicht und drückt auf die Klingel. Er dreht sich um und nickt. Veronica Cray nickt zurück. Sie holen kurz mit dem Rammbock aus, und die Tür ist verschwunden. Das Einsatzkommando bleibt abrupt stehen. Ein knurrender Pitbull springt den ersten Beamten an, der taumelt rückwärts und fällt. Mit gefletschten Zähnen stürzt sich der Pitbull auf seine Kehle, wird jedoch zurückgehalten.
Ein Mann in weiter Hose und Sweatshirt hat das Halsband des Hundes gepackt. Er wirkt älter als zweiunddreißig. Blasse Augen, schütteres blondes, ordentlich nach hinten gekämmtes Haar. Er beschimpft die Polizisten lautstark, schreit, sie sollen ihn in Ruhe lassen und sich verpissen. Der Hund bäumt sich auf den Hinterbeinen auf und will sich losreißen. Pistolen werden gezogen. Irgendjemand wird erschossen werden.
Ich beobachte das Ganze vom Treppenhaus aus. Weitere Beamte haben sich ein Stück in den Flur zurückgezogen. Eine weitere Gruppe steht auf der anderen Seite der Tür etwa vier Meter entfernt.
Fuller kann nicht entkommen. Alle Beteiligten sollten sich beruhigen.
»Verhindern Sie, dass man ihn erschießt«, sage ich.
Veronica Cray sieht mich spöttisch an. »Wenn ich ihn erschießen wollte, würde ich es selber machen.«
»Lassen Sie mich mit ihm reden.«
»Überlassen Sie das uns.«
Ich beachte sie gar nicht, sondern dränge mich an den Polizisten vorbei. Fuller steht vier Meter entfernt und schreit immer noch, begleitet vom Knurren seines schäumenden Hundes.
»Hören Sie mir zu, Patrick«, rufe ich. Er zögert und mustert mich. In seinem Gesicht arbeitet es unaufhörlich vor Wut und Empörung. »Ich heiße Joe.«
»Verpiss dich, Mr. Joe.«
»Was ist denn das Problem?«
»Gar nichts, wenn die mich in Ruhe lassen.«
Ich mache einen weiteren Schritt nach vorne, und der Hund bäumt sich auf.
»Ich lasse ihn los.«
»Ich bleibe hier stehen.«
Ich lehne mich an die Wand und blicke auf den Betonboden, der von ölig
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