Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
schwarzen, festgetretenen Kaugummis verunstaltet ist. Ich ziehe mein Handy aus der Tasche, blättere mich durch die Menü-Optionen und rufe ein paar alte SMS auf. Der Pitbull fühlt sich weniger bedroht, wenn ich den Augenkontakt meide. Es entsteht ein Moment der Ruhe, in dem sich alle entspannen können.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass die Pistolen noch immer angelegt sind.
»Sie werden Sie erschießen, Patrick, oder Ihren Hund.«
»Ich habe nichts Unrechtes getan. Sagen Sie ihnen, dass sie abhauen sollen.«
Sein Tonfall ist kultivierter, als ich erwartet habe. »Das werden sie nicht tun. Dafür ist es schon zu weit gekommen.«
»Die haben meine verdammte Tür eingetreten.«
»Okay, sie hätten vielleicht vorher klopfen sollen. Darüber können wir später reden.«
Der Pitbull bäumt sich wieder auf. Fuller reißt ihn zurück. Das Tier würgt und röchelt.
»Kennen Sie diese amerikanischen Reality-Shows, in denen Fernsehteams aus Hubschraubern und Autos Verfolgungsjagden und Verhaftungen filmen?«
»Ich sehe nur selten fern.«
»Okay, aber Sie wissen, was ich meine. Erinnern Sie sich an O.J. Simpson und den Ford Bronco? Das haben wir alle gesehen:
TV-Helikopter haben die Bilder von O. J. auf diesem Freeway in die ganze Welt übertragen.
Wissen Sie, was ich an diesen Szenen jedes Mal idiotisch finde? Es ist immer das Gleiche mit spektakulären Fluchten. Typen, die versuchen zu fliehen, verfolgt von einer Kolonne von Streifenwagen, einem Hubschrauber in der Luft und Fernsehreportern, die das Ganze filmen. Selbst wenn sie den Wagen gegen eine Wand gesetzt haben, steigen sie aus und springen über Hindernisse, Drahtzäune und Gartenmauern. Es ist total lächerlich, weil sie nicht entkommen können - nicht, wenn sie von so vielen Leuten verfolgt werden. Und sie erreichen bloß, dass sie als noch viel schuldiger dastehen.«
»O. J. wurde nicht verurteilt.«
»Das stimmt. Ein Dutzend Geschworene konnten sich nicht auf einen Schuldspruch einigen, aber wir anderen schon. O.J. wirkte schuldig. Er klang schuldig. Die meisten Menschen glauben, dass er schuldig war.«
Patrick beobachtet mich angespannt. Seine Gesichtszüge haben sich beruhigt. Der Hund ist verstummt.
»Sie machen den Eindruck, als ob Sie ein ziemlich intelligenter Typ sind, Patrick. Und ein intelligenter Typ wie Sie würde diesen Fehler nicht machen. Er würde sagen: Meine Herren, was soll das Theater? Selbstverständlich beantworte ich Ihre Fragen. Lassen Sie mich nur kurz meinen Anwalt anrufen.«
Die Spur eines Lächelns. »Ich kenne keine Anwälte.«
»Ich besorg Ihnen einen.«
»Können Sie mir Johnny Cochran herbeischaffen?«
»Ich besorg Ihnen seinen entfernten Cousin Frank.«
Diesmal ernte ich ein richtiges Lächeln. Ich schiebe mein Handy wieder in die Tasche.
»Ich habe für dieses Land gekämpft«, sagt Patrick. »Ich habe Kameraden sterben sehen. Wissen Sie, wie das ist?«
»Nein.«
»Sagen Sie mir, warum ich mir diesen Mist gefallen lassen muss.«
»Das ist das System, Patrick.«
»Scheiß auf das System.«
»Meistens funktioniert es.«
»Nicht für mich.«
Ich richte mich gerader auf und breite meine Hände offen aus.
»Es liegt an Ihnen. Wenn ich kehrtmache und diesen Flur hinuntergehe, erschießen die Ihren Hund oder Sie. Sie können den Hund aber auch im Schlafzimmer einschließen und mit erhobenen Händen rauskommen. Dann wird niemand verletzt.«
Er denkt noch eine Weile darüber nach, bevor er heftig an dem Halsband zieht und das Tier zurück in die Wohnung zerrt. Eine Minute später kommt er wieder heraus. Die Polizisten umringen ihn.
Er wird auf die Knie und dann auf den Bauch gezwungen, die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Ein Hundeexperte ist mit einem Netz an einem langen Stab eingetroffen. Als er den Pitbull nach draußen trägt, strampelt der wild in der Luft.
»Nicht den Hund«, flüstert Patrick. »Tun Sie meinem Hund nichts.«
22
Ein Polizeiverhör ist ein Schauspiel in drei Akten. Im ersten werden die Figuren vorgestellt, im zweiten wird der Konflikt ausgebreitet, und der dritte liefert die Lösung.
Dieses Verhör ist anders verlaufen. Seit einer Stunde versucht Veronica Cray einen Sinn in Patrick Fullers weitschweifigen Antworten und bizarren Erklärungen zu erkennen. Er leugnet, in Leigh Woods gewesen zu sein. Er leugnet, Christine Wheeler getroffen zu haben. Er leugnet, aus der Armee entlassen worden zu sein. Er scheint im Begriff, seine eigene Geschichte zu leugnen. Gleichzeitig kann er
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