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Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter

Titel: Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Robotham
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sie dann und lächelt kokett.
    »Vielleicht mögen Sie kein Ballett. Ich kann auch andere Tänze.« Sie löst den Knoten in ihrem Haar und lässt es ins Gesicht fallen. Dann lässt sie langsam die Hüften kreisen, geht mit gespreizten Knien in die Hocke und streicht verführerisch über ihre Schenkel und ihren Schoß.
    Es ist schamlos provozierend. Ich zwinge mich dazu, den Blick abzuwenden.
    »So solltest du nicht tanzen.«
    »Warum nicht?«
    »So was solltest du nicht vor Fremden machen.«
    »Aber Sie sind doch kein Fremder.«
    Jetzt macht sie sich über mich lustig. Pubertierende Mädchen sind die komplizierteste Lebensform im bekannten Universum. Es verblüfft mich immer wieder, wie sie es schaffen, einen so in Verlegenheit zu bringen. Mit wenig mehr als einem Blick, dem Aufblitzen nackter Haut oder einem abschätzigen Grinsen können sie einem Mann das Gefühl geben, uralt, aufdringlich und irgendwie lüstern zu sein.
    »Ich muss mit dir reden.«
    »Worüber?«
    »Deine Mutter.«
    »Ich dachte, Sie hätten mich schon alles gefragt.«
    »Noch nicht.«

    »Kann ich mich dabei weiter dehnen?«
    »Natürlich.«
    Sie setzt sich auf den Boden und spreizt breit die Beine.
    »Hast du in den letzten Monaten mit irgendjemandem über deine Mutter geredet? Hat vielleicht jemand Fragen zu ihr oder zu dir gestellt?«
    Sie zuckt die Achseln. »Ich glaube nicht. Ich kann mich nicht erinnern. Was ist denn los? Was ist passiert?«
    »Es hat einen weiteren Todesfall gegeben. Die Polizei wird dich wahrscheinlich noch einmal befragen wollen.«
    Darcy unterbricht ihre Dehnübungen und sieht mich direkt an. Ihre Augen strahlen nicht mehr vor Energie oder Belustigung.
    »Wer?«
    »Sylvia Furness. Es tut mir leid.«
    Ein winziger Laut bleibt in Darcys Kehle stecken. Sie schlägt die Hände vor den Mund, als wollte sie ihn daran hindern zu entweichen.
    »Kennst du Alice?«, frage ich.
    »Ja.«
    »Kanntest du Sylvia gut?«
    Sie schüttelt den Kopf.
    Ich weiß nicht genug, um Darcy zu erklären, was heute oder vor zehn Tagen geschehen ist. Ihre Mutter und Sylvia Furness waren Geschäftspartnerinnen, aber was hatten sie sonst noch gemeinsam? Der Mann, der sie umgebracht hat, wusste Dinge über sie. Er hat sie aus einem bestimmten Grund ausgewählt.
    Deshalb muss diese Suche nicht nach vorne, sondern zurück nach hinten gehen. Adressbücher. Kalender. Brieftaschen. E-Mails. Briefe. Telefonnachrichten. Die Aktivitäten beider Opfer müssen zurückverfolgt werden - wo waren sie, mit wem haben sie gesprochen, welche Läden haben sie aufgesucht, wo haben sie sich die Haare frisieren lassen? Welche gemeinsamen Freunde hatten sie? Waren sie Mitglied desselben Fitness-Clubs? Waren sie Patientinnen beim selben Arzt, Kundinnen
bei derselben Reinigung, hatten sie dieselbe Putzfrau? Und eine wichtige Frage: Wo haben sie ihre Schuhe gekauft?
    Ein Schlüssel klappert im Schloss. Julianne, Charlie und Emma platzen mit glänzenden Einkaufstüten aus Papier und vor Kälte roten Wangen in den Flur. Charlie trägt ihre Schuluniform, Emma neue Stiefel, die zu groß aussehen, aber in die sie im Laufe des Winters hineinwachsen wird.
    Julianne sieht Darcy an. »Hast du dich zum Tanzen umgezogen, oder möchtest du eine schwere Lungenentzündung bekommen?«
    »Ich habe trainiert.«
    Julianne wendet sich mir zu. »Und was hast du gemacht?«
    »Er hat mir geholfen«, sagt Darcy.
    Julianne bedenkt mich mit einem jener unergründlichen Blicke, die unsere Kinder auf der Stelle jede Missetat gestehen und unerwünschte Zeugen Jehovas im Eilschritt Richtung Tor fliehen lassen.
    Ich setze Emma auf den Tisch und ziehe den Reißverschluss ihrer Stiefel auf.
    »Wo bist du heute Morgen hingefahren?«, fragt Julianne.
    »Ich hatte einen Anruf von der Polizei.«
    Irgendetwas an meinem Ton lässt sie herumfahren. Unsere Blicke treffen sich. Ohne dass ein weiteres Wort gesprochen wird, weiß sie, dass es noch einen Todesfall gegeben hat. Darcy kitzelt Emma unter den Armen. Julianne sieht erst sie und dann mich an. Wieder wird kein Wort gewechselt.
    Vielleicht passiert das mit Menschen, die seit sechzehn Jahren verheiratet sind: Es kommt so weit, dass sie wissen, was der andere denkt. Es passiert auch, wenn man mit einem so intuitiven und aufmerksamen Menschen wie Julianne verheiratet ist. Ich habe aus der Beobachtung menschlichen Verhaltens einen Beruf gemacht, aber wie die meisten Angehörigen meiner Profession bin ich ein miserabler Selbst-Analytiker. Dafür habe ich eine Frau.

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