Dein Wille geschehe - Dein Wille geschehe - Shatter
Fußbällen angeschwollen waren und die Fesseln in seine Knöchel schnitten. Er schlief nicht. Er aß nicht.
Das ist eine offiziell genehmigte »Stress-and-duress-Position«. Sie steht im Handbuch. Schlagt es nach. SK 46/34.
Er hieß Hamad Mowhoush und war an einem Kontrollpunkt in Südafghanistan verhaftet worden, nachdem zwei Royal Marines bei einem Bombenanschlag getötet und drei weitere, darunter ein Kumpel von mir, verwundet worden waren.
Wir zogen Hamad einen Schlafsack über den Kopf und schnürten ihn mit Draht zu. Dann rollten wir ihn über den Boden und setzten uns auf seine Brust. Dabei versagte sein Herz.
Es gibt Leute, die behaupten, Folter wäre keine wirksame Methode, verlässliche Informationen zu bekommen, weil die Starken dem Schmerz trotzen, während die Schwachen alles gestehen, damit er aufhört. Das ist richtig. Meistens ist es vollkommen zwecklos, aber wenn man schnell handelt und den Schock der Verhaftung mit der Angst vor der Folter verknüpft, kann man einem Menschen alle möglichen Geheimnisse entlocken.
Kriegsgefangene durften wir die Häftlinge nicht nennen. Es waren PUCs (»persons under control«). Das Militär liebt Abkürzungen. Sie sind eine Form bürokratischer Verharmlosung. Wie auch die Bezeichnung »Vernehmung unter Zwang«. Dafür wurde ich ausgebildet.
Als ich Hamad zum ersten Mal sah, hatte man ihm einen Sack über den Kopf gezogen und mit Kabelbinder verschnürt. Felini übergab ihn mir. »Fuck a PUC«, sagte er grinsend. »Smoke him later.«
»Fuck a PUC« bedeutete, ihn zu verprügeln. »Smoke« hieß die Anwendung einer Stressposition. Felini ließ Leute mit ausgestreckten Armen und einem 20-Liter-Benzinkanister in jeder Hand bei nahezu 40 Grad in der Sonne stehen.
Wir entwickelten auch ein paar eigene Techniken. Manchmal spritzten wir sie mit Wasser ab, rollten sie im Dreck und prügelten sie mit Leuchtstäben, bis sie im Dunkel strahlten.
Wir haben Hamads Leiche in Kalk begraben. Danach konnte ich tagelang nicht schlafen, weil ich mir dauernd vorstellte, wie seine Leiche sich aufblähte und Gase aus seiner Brust austraten, sodass es klang, als würde er noch atmen. Ich denke heute noch manchmal an ihn. Dann wache ich nachts mit einem Druck auf der Brust auf und male mir aus, wie ich unter der Erde liege und Kalk auf meiner Brust brennt.
Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich weiß, dass es etwas Schlimmeres gibt, als unter der Erde zu liegen oder gequält, gefoltert und mit Knicklichtern verprügelt zu werden. Ich habe es am Donnerstag, dem 17. Mai, kurz nach Mitternacht erlebt. Da habe ich Chloe zum letzten Mal gesehen. Sie saß noch im Schlafanzug auf dem Beifahrersitz eines Wagens und wurde mir geraubt.
Das war vor neunundzwanzig Sonntagen.
Zehn Erinnerungen an meine Tochter:
1. Die Blässe ihrer Haut.
2. Gelbe Shorts.
3. Eine selbst gebastelte Vatertagskarte mit zwei aufgeklebten Figuren, einer großen und einer kleinen, die sich an den Händen halten.
4. Das Märchen von Hans und der Bohnenranke, das ich ihr erzählt habe, aber ohne den Teil, in dem der Riese aus den gemahlenen Knochen von Hans Brot backen will.
5. Die Platzwunde über ihrem linken Auge nach einem Sturz, die mit zweieinhalb Stichen genäht werden musste. (Kann man etwas mit einem halben Stich nähen? Vielleicht habe ich mir das ausgedacht, um sie zu beeindrucken.)
6. Ihr Auftritt als Indianer-Squaw in der Schulaufführung von Peter Pan.
7. Ein Europapokalrückspiel in München, zu dem wir gefahren sind, obwohl ich das einzige Tor verpasst habe, als ich die Schokolinsen aufheben musste, die sie unter ihrem Sitz verstreut hatte.
8. Der Spaziergang am Strand von St. Mawes in unserem letzten gemeinsamen Urlaub.
9. Ihr Stolz, nachdem ich ihr beigebracht hatte, ohne Stützräder Fahrrad zu fahren.
10. Ihre zahme Ente, die ich einschläfern musste, nachdem ein Fuchs in den Stall eingebrochen war und ihr einen Flügel ausgerissen hatte.
Das Telefon klingelt. Ich öffne die Augen. Schwere Vorhänge und lichtdichte Jalousien machen den Raum fast vollkommen dunkel. Ich greife nach dem Hörer.
»Ja.«
»Ist da Gideon Tyler?« Ein lupenreiner Belfaster Akzent.
»Wer will das wissen?«
»Die Post.«
»Woher haben Sie diese Nummer?«
»Wir haben sie in einem Päckchen gefunden.«
»Was für ein Päckchen?«
»Sie haben vor sieben Wochen ein Päckchen an Chloe Tyler aufgegeben. Wir konnten es leider nicht zustellen. Die Adresse ist entweder nicht mehr aktuell oder falsch.«
»Wer
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