Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deine Juliet

Deine Juliet

Titel: Deine Juliet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Mary Ann / Barrows Shaffer
Vom Netzwerk:
packen und London verlassen?
    Da Du und S&S mich zu einer leidlich erfolgreichen Schriftstellerin gemacht habt, geht das Essen auf meine Kosten.
     
    Alles Liebe,
    Deine Juliet
     
    PS: Ich habe «Der Hirtenjunge singt im Tal der Demütigung» nicht ins Publikum gepfeffert. Ich habe die Vortragende damit beworfen. Ich wollte es ihr vor die Füße knallen, aber das ging daneben.

Juliet an Sophie Strachan
    12.   Januar 1946
    Liebe Sophie,
    natürlich würde ich Dich liebend gerne sehen, aber ich bin ein seelenloser, willenloser Automat. Sidney hat mich nach Bath, Colchester, Leeds und an etliche andere kleine Orte beordert, die mir im Moment nicht einfallen, und ich kann nicht einfach stattdessen nach Schottland verduften. Sidney würde die Stirn in Falten legen, die Augen zusammenkneifen – er würde sichauf die Lauer legen. Und Du weißt, wie zermürbend es ist, wenn Sidney auf der Lauer liegt.
    Ich wollte, ich könnte mich fortstehlen zu Deinem Bauernhof und mich von Dir verhätscheln lassen. Du würdest mir doch erlauben, die Füße auf Dein Sofa zu legen? Und würdest Du dann Decken um mich herumstopfen und mir Tee bringen? Ob Alexander etwas gegen einen Dauergast auf seinem Sofa einzuwenden hätte? Du hast mir erzählt, dass er ein sehr geduldiger Mann ist, aber das würde er vielleicht doch lästig finden.
    Warum bin ich so melancholisch? Ich sollte begeistert sein von der Aussicht, vor einem entzückten Publikum aus
Izzy
zu lesen. Du weißt, wie gerne ich über Bücher spreche und wie ich es genieße, Komplimente zu bekommen. Ich sollte trunken sein vor Freude. Aber in Wahrheit bin ich schwermütig – schwermütiger, als ich es jemals während des Krieges gewesen bin. Alles ist so kaputt, Sophie: die Straßen, die Häuser, die Menschen. Ganz besonders die Menschen.
    Vermutlich ist das die Nachwirkung der grässlichen Abendgesellschaft, an der ich gestern teilnahm. Das Essen war grauenhaft, aber das war ja zu erwarten. Es waren die Gäste, die mir auf die Nerven gingen – eine Versammlung der bedrückendsten Individuen, die mir je begegnet sind. Die Gespräche drehten sich um Bomben und Hungersnot. Erinnerst Du Dich an Sarah Morecroft? Sie war da, nur Gänsehaut und Knochen und blutroter Lippenstift. Ist sie nicht mal hübsch gewesen? War sie nicht verrückt nach diesem Reitersmann, der nach Cambridge gegangen ist? Es war keine Spur von ihm zu entdecken. Sie ist mit einem grauhäutigen Arzt verheiratet, der mit der Zunge schnalzt, bevor er spricht. Aber den hätte man fast noch wild und romantisch finden können im Vergleich zu meinem Tischherrn, der zufällig unverheiratet war, vermutlich der letzte ledige Mann auf Erden   – Herrgott, wie schäbig ich mich anhöre!
    Sophie, ich schwöre, mit mir stimmt etwas nicht. Ich finde alle Männer, die ich treffe, unerträglich. Vielleicht sollte ich meineAnsprüche tiefer schrauben – nicht so tief, dass ich dem schnalzenden Arzt etwas abgewinnen könnte, aber doch ein bisschen tiefer. Ich kann nicht mal dem Krieg die Schuld geben – ich habe mich noch nie gut mit Männern ausgekannt, oder?
    Meinst Du, der Heizungsmann von St.   Swithin war meine einzige große Liebe? Da ich nie ein Wort mit ihm gewechselt habe, ist es unwahrscheinlich, aber wenigstens war es eine Leidenschaft, die von keinerlei Desillusionierungen getrübt war. Und er hatte so schöne schwarze Haare. Danach kam das «Jahr der Dichter», von dem Sidney immer so verächtlich redet, was ich eigentlich nicht verstehe – immerhin hat
er
mich mit ihnen bekannt gemacht. Und dann der arme Adrian. Oh, es ist müßig, Dir das ganze Schreckensregister aufzuzählen, aber Sophie, was ist nur los mit mir? Bin ich zu anspruchsvoll? Ich will nicht heiraten, nur um verheiratet zu sein. Ich kann mir nichts Einsameres vorstellen, als den Rest meines Lebens mit jemandem zu teilen, mit dem ich nicht reden oder, schlimmer noch, mit dem ich nicht schweigen kann.
    So ein schrecklicher Jammerbrief. Siehst Du? Am Ende bist Du noch erleichtert, dass ich nicht nach Schottland komme. Allerdings, es könnte ja sein – mein Schicksal liegt in Sidneys Händen.
    Gib Dominic einen Kuss von mir und sag ihm, ich habe neulich eine Ratte gesehen, die war so groß wie ein Terrier.
     
    Liebste Grüße an Alexander
    und vor allem an Dich,
    Deine Juliet

Dawsey Adams, Guernsey, Kanalinseln, an Juliet
    Miss Juliet Ashton
    81   Oakley Street
    Chelsea
    London SW3
    12.   Januar 1946
    Sehr geehrte Miss Ashton,
    mein Name ist Dawsey

Weitere Kostenlose Bücher