Deine Juliet
dann tat sie etwas Überraschendes – drehte sich um und ließ mich das breite Lächeln sehen, das mir gleich zu Anfang so gut an ihr gefallen hat. «Wo ist Dawsey? Oben im Herrenhaus, oder?»
Auf mein Nicken hin stürzte sie zur Tür hinaus und lief wie der Wind über die Zufahrt zum Herrenhaus.
Wunderbare Juliet! Sie wollte Dawsey die Leviten lesen, weil er mit seinen Gefühlen für Remy hinterm Berg gehalten hatte.
Miss Marple bewegt sich niemals im Laufschritt voran, sie geht gemächlich, wie es einer alten Dame ansteht. Und das tat ich auch. Juliet war schon im Haus verschwunden, als ich ankam.
Ich schlich auf Zehenspitzen über die Terrasse und drückte mich an die Mauer. Die Verandatüren der Bibliothek standen offen.
Ich hörte, wie Juliet die Tür zur Bibliothek aufstieß. «Guten Morgen, die Herren», sagte sie. Ich hörte Teddy Heckwith (einen Stuckateur) und Chester (einen Tischler) antworten: «Guten Morgen, Miss Ashton.»
Dawsey sagte: «Hallo, Juliet.» Er stand ganz oben auf der hohen Trittleiter. Das wurde mir erst später klar, als er mit großem Getöse hinunterpolterte.
Juliet sagte, sie würde gern mit Dawsey unter vier Augen sprechen, wenn die Herren ihr eine Minute zugestehen könnten.
Sie sagten, aber gewiss doch, und verließen den Raum. Dawsey fragte: «Stimmt etwas nicht, Juliet? Ist etwas mit Kit?»
«Kit geht es gut. Es geht um mich – ich will dich etwas fragen.»
Oh, dachte ich, jetzt sagt sie ihm, er soll gefälligst nicht so ein Waschlappen sein, sondern sich endlich aufrappeln und Remy auf der Stelle einen Antrag machen.
Aber das tat sie nicht. Sie sagte: «Möchtest du mich heiraten?»
Am liebsten wäre ich auf der Stelle tot umgefallen.
Es war still – totenstill. Nichts zu hören! Und das eine schiere Ewigkeit, kein Wort, kein Laut.
Aber Juliet fuhr ungerührt fort. Mit fester Stimme – während ich nicht das kleinste Quäntchen Luft schnappen konnte.
«Ich habe mich in dich verliebt, darum wollte ich fragen.»
Und dann, was tat Dawsey, der liebe Dawsey? Er fluchte. Er missbrauchte den Namen des Herrn.
«Mein Gott, ja», rief er und war – kladderadatsch! – die Trittleiter herunter, immer nur mit dem Absatz über die Sprossen, weshalb er sich dabei auch den Knöchel verstaucht hat.
Ich hielt an mich und sah nicht ins Zimmer, obwohl die Versuchung groß war. Ich wartete. Drinnen herrschte Stille, darum ging ich nach Hause und besann mich.
Was hat es für einen Zweck, meine Augen zu trainieren, wenn ich unfähig bin, die Dinge im rechten Licht zu sehen? Ich hatte alles falsch verstanden. Alles. Am Ende war alles, alles gut, aber das war nicht mir zu verdanken. Ich verfüge nicht über Miss Marples Einsicht in die Abgründe des menschlichen Gemüts. Das ist traurig, aber am besten gestehe ich es mir gleich ein.
Sir William hat mir erzählt, dass es in England Motorradrennen gibt – silberne Pokale für Leute, die viel zu schnell quer durchs Gelände brettern, ohne herunterzufallen. Vielleicht sollte ich dafür trainieren – den fahrbaren Untersatz habe ich ja schon. Ich brauche nur noch einen Helm – und vielleicht eine Schutzbrille dazu.
Fürs Erste werde ich Kit fragen, ob sie bei mir zu Abend essen und übernachten will, damit Juliet und Dawsey sich ungestörtim Heckengarten ergehen können – wie einst Mr. Darcy und Elizabeth Bennet.
Juliet an Sidney
21. September 1946
Lieber Sidney,
ich habe den Tag genutzt – und die Nacht dazu. Kannst Du herkommen und in Amelias Garten den Brautführer spielen? Mit Eben als Trauzeuge des Bräutigams, Isola als Brautjungfer, Kit als Blumenmädchen (sie soll Rosenblüten streuen) und Dawsey als Bräutigam. Was meinst Du, wollen Susan und Ivor auch kommen und Reis werfen?
Heute lief mir in St. Peter Port Adelaide Addison über den Weg. Zur Gratulation brachte sie vor: «Wie ich höre, wollen Sie und dieser Schweinebauer Ihre Verbindung legitimieren. Gepriesen sei der Herr!»
Gepriesen sei der Herr – wahrhaftig!
Juliet
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