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Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Titel: Deine Lippen, so kalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Garvey
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ran.
    Es ist ein weiteres Geheimnis, eine weitere Lüge, und das schlimmste daran ist, dass ich mich dieses Mal selbst belüge. Mir einrede, dass ich nur deshalb mit Gabriel spreche, weil ich niemand anderen habe und weil er mir vielleicht helfen kann, herauszufinden, was ich wegen Danny machen soll. Den Schauer verdränge, der mich durchfährt, wenn ich daran denke, wie ich ihn geküsst habe. Mir vormache, dass ich mir nicht wünsche, wir wären im selben Raum, damit ich es wieder tun kann.
    »Mir fallen die Augen zu«, flüstere ich in das Telefon, nachdem wir eine Stunde über belangloses Zeug gequatscht haben, Musik und Pizza und Mr Rokoznys schreckliche Anzüge und die Kostüme, die wir als Kinder zu Halloween anhatten.
    »Und mein Akku ist gleich leer«, sagt er. Ich höre das Lächeln in seiner Stimme.
    »Na gut. Also …« Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll und ich möchte eigentlich nicht Tschüss sagen. Der Klang seiner Stimme ist ein Anker, und ich möchte mich daran festhalten, so lange ich kann.
    »Es ist okay, Wren. Ich sehe dich dann morgen.« Ich höre, wie er atmet, das schwache Rascheln von Stoff, was bedeutet, dass er ebenfalls im Bett liegen muss. »Es ist wirklich okay.«
    Ich wünsche mir, dass es das ist. Aber ich wünsche mir eine Menge Dinge, die ich nicht bekommen werde, also erwidere ich: »Das ist es nicht«, schalte das Handy aus und beginne zu weinen.
    An den nächsten beiden Tagen zerren alle dermaßen an mir, dass ich jeden Moment zu zerreißen drohe. Am Mittwoch guckt Madame Hobart, als hätte gerade jemand sämtliche kleine Kätzchen auf der Welt ertränkt, und anscheinend glaubt sie, die passende Antwort auf ihr Stimmungstief sei, uns mit dem Imparfait zu quälen. In Literatur bekommen wir ein Essay zu Der Fremde aufgebrummt und in Chemie falle ich spektakulär beim Labortest durch. Es ist ein Wunder, dass mir mein Experiment nicht um die Ohren fliegt.
    Es hilft auch nicht, dass Jess in der Mittagspause bei mir sitzt, das eine oder andere Gemüse von ihrem Salat auf meinen Teller wirft und Nagellack aus ihrer Tasche zieht, damit ich ihn begutachte. Darcia hat eine Playlist für Freitag zusammengestellt und plant, Double Fudge Brownies zu backen, und unterdessen lässt mich Gabriel auf dem Gang und im Unterricht nicht aus den Augen. Wenn ich ihn dabei erwische oder wenn Jess und Darcia in der Nähe sind, senkt er den Blick sofort wieder auf seinen Block.
    Zu allem Übel braucht Mom mich am Mittwoch auch noch im Laden, weil zwei der Mädchen krank geworden sind, und sie scheucht mich zwischen dem Telefon, dem Besen und dem nassen Chaos aus benutzen Handtüchern, die in die Waschmaschine gehören, hin und her. Bis wir endlich im Auto sitzen und auf dem Heimweg sind, habe ich drei SMS von Dar, zwei von Jess und sechs von Gabriel, und Mom zieht eine Augenbraue hoch, während ich sie durchgehe.
    »Hast du heute Nachmittag irgendeine große Party verpasst?«, fragt sie, als sie in die Einfahrt biegt. Der Motor des Wagens erstirbt mit einem keuchenden Röcheln, und sie legt den Kopf schräg und wartet, während ich das Handy zuklappe.
    »Ja, klar. Rockstars, Limos, angesagte Designerdrogen. Das übliche Mittwochnachmittagsprogramm.« Abgezielt hatte ich auf sarkastisch, aber heraus kommt nur müde, und sie streckt die Hand aus, um meine Wange zu streicheln.
    »Alles okay, Babe?«
    Ich schlucke, als ich sie ansehe. Ihr Gesicht ist so vertraut, die schmale Nase, der feine Mund, das viele dicke Haar mit der Farbe von gesunder Baumrinde, sogar ihr Duft – saubere Baumwolle und Magnolie überdecken den leicht stechenden Geruch nach Haarfärbemittel. Eine Sekunde bin ich versucht zuzugeben, dass ich nicht okay bin, dass ich sie brauche, damit sie alles wieder in Ordnung bringt und mich für ungefähr einen Monat schlafen lässt, und ehe ich etwas dagegen tun kann, sehe ich sie durch einen Tränenschleier.
    »Hey.« Sie lehnt sich zu mir, fährt mit dem Daumen über meinen Wangenknochen und mein Kinn, eine zarte Berührung. »Was ist los?«
    Ich schüttle den Kopf und löse mich von ihr. Ich darf nicht schwach werden. Ich will gar nicht wissen, was passieren würde, wenn sie das mit Danny herausfände. Es ist zu ungeheuerlich, um es sich vorzustellen, so, als würde die gesamte Erde in Flammen aufgehen. »Ich bin einfach nur müde«, sage ich und stopfe mein Handy in die Tasche, während ich gleichzeitig nach dem Türgriff fasse. »Ich habe letzte Nacht nicht gut geschlafen.«
    Sie glaubt

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