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Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Deine Lippen, so kalt (German Edition)

Titel: Deine Lippen, so kalt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Garvey
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gleichgültig.
    »Schlimmer Tag?« Seine Worte werden von meinem Haar gedämpft.
    »Schlimme Nacht«, entgegne ich und löse mich ein Stück von ihm, damit ich ihn ansehen kann.
    Seine Stimme wird schärfer. »Was ist passiert?«
    »Spiel jetzt nicht meinen Ritter in schimmernder Rüstung, okay?« Ich piekse ihn mit dem Finger in die Brust. »Sei einfach mein Freund.«
    »Du hast die Frage nicht beantwortet.«
    Ich seufze. »Ich weiß.«
    Ich möchte sie nicht beantworten, was Problem Nummer eins ist. Nicht weil ich Angst davor habe, dass Gabriel zum taffen Beschützer mutiert, sondern weil es schmerzt, sich einzugestehen, dass Danny schwerer und schwerer zu kontrollieren ist.
    Gestern Nacht, als ich mich endlich zu ihm rausgeschlichen hatte, war er unten in der Garage und strich an der Tür zum Garten herum. Dünn und bleich. Im silbrigen Licht, das durch das Fenster fiel, sah er aus wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Als er sich umdrehte und mich da stehen sah, mit offenem Mund und einem Herz, durch das der blanke Horror pumpte, lächelte er nicht einmal, wie er es sonst immer tut. Wenn ich so darüber nachdenke, hat er das seit Tagen nicht getan. Stattdessen fixierte er mich mit diesen ausdruckslosen dunklen Augen, als könne er nun ebenfalls in mich hineinsehen und wolle sich etwas von dort packen und mit aller Gewalt verbiegen.
    Ich löse mich aus Gabriels Umarmung und kicke ein paar feuchte Blätter weg, damit ich mich mit dem Rücken an die kalten Backsteine gelehnt setzen kann. Gabriel hockt sich zu mir, sein Knie streift meins.
    »Willst du darüber reden?«
    »Nicht wirklich.« Ich zucke mit den Achseln und er legt den Arm um meine Schulter. Sein Gewicht zu spüren ist tröstlich und ich lasse meinen Kopf nach hinten sinken. »Ich musste mir gestern Nacht einen Bannspruch ausdenken, damit ich gehen konnte. Es war beängstigend – ich versuchte mich an das zu erinnern, was ich in ein paar Büchern gelesen hatte, doch alles, woran ich denken konnte, war, dass ich es nicht noch schlimmer machen wollte.«
    »Wie meinst du das, damit du gehen konntest?«
    Ich halte den Blick auf meinen Schoß gesenkt, wo mein zerschlissener Rucksack liegt, bedeckt mit Dannys Kritzeleien, verblassten Edding-Initialen und Gesichtern. »Er ist nicht mehr gerne allein. Wenn ich also irgendwann gehen muss … regt er sich auf.«
    Das ist maßlos untertrieben, wenn man daran denkt, wie störrisch Danny mich gestern umklammert hat, die Arme von hinten um mich geschlungen, das Kinn in meine Schulter gebohrt, die Stimme tief und kalt in meinem Ohr.
    »Wren.« Gabriel erstarrt neben mir, und ich greife nach seiner Hand, verschränke meine Finger mit seinen.
    »Ich werde eine Lösung finden, versprochen. Und er wird mir nicht wehtun, Gabriel. Das würde er niemals.«
    Ich wünschte, ich wäre mir da wirklich so sicher. Ich wünschte, ich hätte eine Idee, was eine Lösung finden heißen soll. Allein der Gedanke, etwas zu tun, das Danny wehtut, macht mich krank. Ich bin nicht stark genug, ihn zu erdrosseln oder zu ersticken, und er atmet sowieso nicht, also was sollte das bringen?
    Die Tatsache, dass ich hier inmitten der kalten Blätter sitze und mir Wege ausdenke, den Jungen loszuwerden, den ich so sehr geliebt habe, dass ich ihn von den Toten zurückholte, ist so absurd, so unerträglich, dass es beinah komisch ist. Komisch auf eine unerträgliche, sarkastische Weise, die im Grunde genommen überhaupt nicht komisch ist.
    »Ich wünschte, ich könnte das glauben«, sagt Gabriel und stützt seinen Kopf auf meinen, drückt mir einen sanften Kuss aufs Haar.
    Ich kann ihm nicht erzählen, dass Danny gestern unten in der Garage war und viel zu dicht dran, sich nach draußen zu wagen. Ich kann ihm nicht erzählen, wie schwer es gestern Nacht war, Luft zu bekommen, während Dannys Arme mich umschlungen hielten, wie viel schwerer noch, mir aus dem Nichts einen behelfsmäßigen Bann auszudenken, während meine Rippen unter dem Druck von Dannys Unterarmen zu bersten drohten.
    »Ich muss einfach nur morgen Abend überleben«, sage ich stattdessen. »Dieses Wochenende werde ich … nun, ich weiß auch nicht was, aber ich werde mir etwas einfallen lassen. Und dann …«
    Ich weiß nicht, wie dieser Satz enden sollte. Was dann? Dann müssen wir uns nicht länger verstecken? Können wir zusammen sein? Kann ich so tun, als hätte ich nicht den schrecklichsten Fehler begangen, den man im Namen der Liebe machen kann, und weiter den süßen neuen Typen

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