Deine Seele in mir /
– träge lächeln muss.
»Lass nur, es geht schon«, sage ich und versuche, mich aufzurichten. Ich scheitere erbärmlich. Schwer wie ein Stein falle ich in das feuchte, moosdurchzogene Gras, direkt neben Wilson. Der Druck in meiner Seite und in meinem Bauch ist kaum noch zu ertragen. Ich habe das Gefühl, zu wenig Luft zu bekommen. Mein Atem geht erfolglos, zu flach und zu schnell; ein leises Pfeifen ertönt mit jedem Luftzug. Ich ahne, dass das kein gutes Zeichen ist.
»Gott, du blutest ja!«, schreit Mary. Panik beherrscht ihre Stimme; ihr Blick zeigt blankes Entsetzen.
»Er hat dich erwischt«, wispert sie und drückt mit ihrer flachen Hand gegen meine Wunde. Ein hoffnungsloser Versuch, den Fluss der Blutung aufzuhalten. Ich stöhne laut auf; es tut höllisch weh.
Verzweifelt starrt Mary auf ihre Hand. Das Blut quillt zwischen ihren Fingern hindurch. Ich sehe in Marys Augen, die vor Panik noch größer sind als sonst, und dann auf ihre blonden Locken.
Das Bild ihrer im Wind wehenden Haare hat etwas Friedliches an sich. Meinen Kopf an ihre Schulter gelehnt, beruhigt sich mein Atem zunehmend, während Mary leise zu weinen beginnt.
»Du hast mich gerettet, Matt. Du hast mich gerettet …«, flüstert sie immer wieder ungläubig.
Gott sei Dank lebt sie. Gott sei Dank ist Mary unversehrt.
Nun muss ich nur noch mit dem Gedanken klarkommen, mich nicht mehr von Amy verabschieden zu können. Die Erkenntnis, dass ich ihr schönes Gesicht nicht noch einmal sehen werde, dass ich nicht noch einmal durch ihre Haare oder über ihre zarte Haut streichen kann, schmerzt mich mehr als die tiefe Wunde, die mir die Kugel des Revolvers in die Seite gerissen hat.
Marys Bild verschwimmt langsam vor meinen Augen, doch dann gewinnt die weite Blumenwiese hinter ihr unerwartet an Schärfe. Durch ihre leichte Steigung erkennt man von hier nur noch das Dach des blauen Hauses. Leuchtendes Grün, von bunten Farbklecksen übersät, verdeckt den Rest. Mein Blick gleitet über die wilden Blumen. Diese Wiese …
Wie eine Fata Morgana sehe ich … Ja, es ist tatsächlich Amy, die ich am oberen Rand des Hügels erspähe, als der Wind die langen Halme eines Grasbüschels zur Seite legt.
Wie aus dem Nichts steht sie da. Suchend blickt sie sich um, blinzelt mit vorgehaltener Hand gegen das helle Sonnenlicht; die langen, offenen Haare umwehen ihr blasses Gesicht. Fern und unwirklich erscheint sie mir. Engelsgleich.
Mein sterbendes Bewusstsein ist also wenigstens so gütig, mir ein Trugbild zu gönnen – zweifellos das schönste von allen.
Dankbar gebe ich mich der Illusion hin.
Amys Anblick, so irreal er auch sein mag, zaubert sofort ein Lächeln auf meine Lippen. Der tiefe, dumpfe Schmerz in meiner Seite ist für einen Moment vergessen. Langsam und sehr, sehr wackelig stolpert sie schließlich auf uns zu.
»Ich wusste nicht, dass es so ist, Mary«, flüstere ich.
»Was? Was wusstest du nicht, Matt?«, fragt sie schluchzend und streicht mir die Haare aus der Stirn.
»Wenn man stirbt«, hauche ich. »Ich … ich habe Halluzinationen.«
Ihre tränennassen Augen werden schmaler. Prüfend sieht sie mich an, dann dreht Mary ihren Kopf in die Richtung, in die ich noch immer selig starre.
»Oh, Gott!«, flüstert sie und wendet sich mir wieder zu. »Nein, Matt, du siehst richtig. Es ist Amy! Sie hat mich zu dir geschickt.«
Diese Worte hallen wie ein Echo durch meinen Kopf. Ich spüre förmlich, wie sie mir Kraft geben. Exakt in dem Moment, in dem Amy mitten im hohen Gras zusammenbricht, schaffe ich es, mich ein letztes Mal aufzuraffen. Ich laufe, so gut und so schnell ich es noch schaffe, zu ihr. Die Blumenwiese erscheint mir plötzlich eher wie ein zugewuchertes Moor, in dem meine bleiernen Beine immer wieder versinken. Doch mit Amy vor meinen Augen bahne ich mir meinen Weg. Den einzigen meines Lebens, zu meinem einzigen Ziel – direkt in ihre Arme.
Mary, die zunächst noch versucht, mich zu stützen, läuft schließlich einfach weiter zum Haus. Sie will Hilfe holen, höre ich sie noch rufen, unmittelbar bevor die Welt versinkt und nur noch Amy und ich übrig bleiben.
Schluchzend liegt sie vor mir, die langen braunen Haare wild um ihren Kopf drapiert, die Arme über das verzweifelte Gesicht geschlagen. Wirklich, sie sieht aus wie ein gefallener Engel.
Als ich sie erreiche und mein kurzer Schatten auf ihren Körper trifft, hebt Amy die Arme und blinzelt fassungslos gegen das Sonnenlicht.
»Matty«, haucht sie. Ihre Stimme ist so
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