Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
schüttelte den Kopf. „Ich weiss es wirklich nicht, Herr Baumgarten, und ich werde auch keine Vermutungen anstellen. Es ist Ihre Arbeit, das herauszufinden.“
Nick seufzte; er hatte sich mehr Klarheit erhofft. „Gut, dann vielen Dank für die Informationen. Sie haben mir sehr geholfen.“ Er stand auf und der Arzt begleitete ihn zur Türe.
„Aber Sie sind enttäuscht, nicht wahr, Herr Baumgarten, das sehe ich. Nun ja, in Ihrer Arbeit ist es nicht anders als in meiner: schwarz und weiss sind selten, die Grautöne überwiegen meistens. Lassen Sie sich nicht entmutigen, Sie finden garantiert heraus, was geschehen ist.“ Er streckte seinem Besucher die Hand entgegen. „Ich wünsche Ihnen viel Erfolg. Und grüssen Sie Frau Manz von mir. Sie haben grosses Glück, eine so schöne und wunderbare Frau gefunden zu haben. Wenn ich jünger wäre ...“ Er schmunzelte, als er den fragenden Blick des Polizisten sah. „Wissen Sie, ich gehe mit meinem Hund abends immer spazieren, und da sieht man, wer mit wem unterwegs ist. Alles Gute, Herr Baumgarten!“ Und schon war er wieder unterwegs zum nächsten Patienten, mit wehendem weissem Mantel.
Nachdenklich stieg Nick die zwei Stockwerke zu Marinas Geschäft hinunter. Er hatte nicht bekommen, was er erwartet hatte, aber natürlich hatte der Arzt Recht: Polizeiarbeit bestand ebenso wie die ärztliche Tätigkeit daraus, Informationen zu sammeln und sie zu einem Bild zusammenzufügen. Eine Mischung aus harter Arbeit, Zufällen und Intuition führte meistens zur Lösung – aber manchmal auch nicht. Irgendwie zweifelte er daran, dass in diesem Fall ein komplettes Bild entstehen würde, das der Wahrheit entsprach. Nun ja, man würde sehen.
Er stiess die Türe zum Kosmetikinstitut Marina auf und trat ein. Leise Musik war zu hören, das Surren eines Apparats – was das wohl für ein Folterinstrument war? – sonst war alles ruhig.
Nach ein paar Sekunden öffnete sich ein Vorhang und Diana schaute heraus. „Ach, Sie sind es.“ Dann rief sie in voller Lautstärke: „Frau Manz, die Polizei!“ und zog sich rasch wieder in die Kabine zu ihrer Kundin zurück. Nick schüttelte den Kopf und lachte auf den Stockzähnen. Die ehemalige Lehrtochter war immer noch genau so frech wie als Teenager, und Marina würde sich wieder einmal tüchtig ärgern.
Schon kam sie mit zusammengepressten Lippen aus einer der hinteren Kabinen. „Dieses Gör“, zischte sie wütend, „jetzt habe ich endgültig genug, ich werde sie entlassen. Was willst du?“ Ihr Ärger war gross und umfasste die ganze Welt, auch ihn.
„Ich war dienstlich bei Dr. Hivatal. Jetzt möchte ich mit dir essen gehen, oder mindestens einen Kaffee trinken, Liebes.“
„Ich habe keine Zeit, das siehst du ja. Wir sehen uns morgen.“ Sie machte ein paar rasche Schritte Richtung Kabine, aber plötzlich realisierte sie, was ablief. Sie wandte sich um und kam zu ihm, legte die Arme um seinen Hals und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Sorry, Liebling, das war nicht so gemeint. In zehn Minuten habe ich eine halbe Stunde Pause, treffen wir uns unten im Café?“ Und schon war sie weg.
Nick fragte sich, warum sie so nervös war, fand aber keine befriedigende Antwort. Vielleicht plagten sie heute Kopfschmerzen? Es war jedenfalls tröstlich zu wissen, dass auch der bekannte Neurologe Peter Hivatal seine Migränepatientin Marina für eine aussergewöhnliche Frau hielt, und nicht nur der stellvertretende Kripochef Nick Baumgarten.
*
„Bitte kommen Sie herein, Herr Pfister. Es tut mir Leid, dass Sie so früh aufstehen mussten, aber ich fliege heute Mittag geschäftlich nach Holland und muss vorher noch ins Büro. Darf ich Ihnen etwas anbieten?“
„Einen Kaffee nehme ich gerne, Frau Studer.“ Peter Pfister schaute sich in der geräumigen Wohnung um. Vermutlich vier Zimmer, mindestens hundertzwanzig Quadratmeter, Blick über die Dächer von Rheinfeldens Altstadt bis hinüber nach Deutschland. Billig ist das wohl nicht gerade, dachte er, ob sie sie nun gekauft hat oder zur Miete wohnt.
„Gefällt Ihnen meine Wohnung? Ich habe sie vor ein paar Jahren gekauft, weil ich bei meiner häufigen Reisetätigkeit ein festes Zuhause haben wollte – das braucht man, wenn man viel unterwegs ist.“ Die attraktive Blondine sah trotz des gleichen Jahrgangs viel jünger aus als Gion Matossi. Am Telefon hatte sie ihm erklärt, sie arbeite als Marketingleiterin bei DSM Nutritional Products, einem holländischen Unternehmen, das vor ein paar
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