Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Fotos in Matossis Fotobüchern hatte er nämlich das eine oder andere bekannte Gesicht entdeckt, und es ergab sich ganz zufällig, dass sich am Freitagabend jeweils die alten Aarauer Gewerkschafter und Sozialdemokraten am Stammtisch in der 'Krone' trafen. Er würde auf jeden Fall seine Fühler ausstrecken heute Abend; allerdings musste zuerst noch die Teamsitzung am Nachmittag durchgestanden werden.
Er verliess die Autobahn in Frick und fuhr über Wölflinswil hinauf auf das märchenhaft verschneite Benkerjoch, wo er beim Hofladen von Bauer Bitterli einen Kaffee trank und sich dazu überreden liess, ein Paar Rauchwürstchen zu kaufen. Die Strassenverhältnisse auf der steilen Küttiger Seite des Passes waren ziemlich prekär, aber Peter Pfister fuhr gemächlich im zweiten Gang, so dass er ohne Probleme um halb zwölf wieder im Büro eintraf – genau zur richtigen Zeit für ein frühes Mittagessen.
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Untypischerweise hatte Marina während der ganzen Mittagspause nur gejammert und geklagt: über die unhaltbare Frechheit ihrer jungen Mitarbeiterin, über den seit Tagen andauernden Dauerfrost, über die Erhöhung der Zinsen für ihren Geschäftskredit, über das schreiende Baby ihrer Nachbarn, das sie nachts um den Schlaf brachte. Sie fragte weder nach dem Männerabend mit Andrew noch nach den Fortschritten in seinem aktuellen Fall, und als die Rede auf die morgige Einladung kam, seufzte sie und sagte, er müsse wohl alles allein vorbereiten, sie sei bis mindestens vier Uhr beschäftigt.
Nick versuchte, sie aufzuheitern und ihre Vorfreude auf den Abend mit Maggie und Andrew zu wecken, aber es war nichts zu machen, ihre Stimmung war im Keller. Er fuhr zurück ins Kommando, und statt direkt aus der Parkgarage ins Büro zu gehen, zog er die dicke Jacke an und ging mit raschen Schritten Richtung Aare. Eine halbe Stunde an der kalten, frischen Luft hatte für ihn immer eine beinahe therapeutische Wirkung: seine Gedanken klärten sich, und sein Herz wurde leicht.
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Eine Stunde später sassen sie alle am runden Besprechungstisch vor der Pinnwand. Als Erster berichtete Peter Pfister von seinem Gespräch mit Maja Studer und vergass nicht, sein Misstrauen gegenüber professionell wirkenden Karrierefrauen zu erwähnen. „Ich bezweifle, dass sie die ganze Wahrheit sagte; dass die beiden Eheleute sich nur wegen 'unterschiedlicher Lebensentwürfe' trennten, kann ich nicht glauben. Vermutlich hatte er eine Affäre und wurde von ihr zum Teufel geschickt, oder umgekehrt.“
„Was allerdings nach über zwanzig Jahren nur bedingt ausreicht für ein Mordmotiv“, bemerkte Angela leicht sarkastisch.
„Was sagte denn der Anwalt über den Verlauf der Scheidung?“ fragte Gody Kyburz, der gewappnet sein wollte für die Fragen der Journalisten.
„Ach, ihr kennt ja die Juristen, berufen sich aufs Anwaltsgeheimnis und schweigen. Aber ich gebe zu, er sprach von einer einvernehmlichen Routinescheidung. Mein Fazit: ich glaube zwar nicht, dass sie ihren Ex umgebracht hat, aber sie könnte uns sicher noch viel erzählen über die Vergangenheit. Ich treffe heute am Stamm vielleicht noch einen Klassenkameraden von Matossi, der sich sicher an die Liebesgeschichte zwischen Gion und Maja erinnert. Wenn ich ein Fläschchen Wein springen lasse, komme ich garantiert zu ein paar Informationen.“
„Aber sei vorsichtig, Peter, du kannst am Stammtisch keine Befragungen durchführen“, unterbrach Nick mit erhobenem Zeigefinger, „und lass dir auf keinen Fall irgendwelche Details unserer Untersuchung entlocken, auch nach dem zweiten Glas nicht!“
„Ja, ja, schon gut, Chef, ich weiss wie ich mich zu verhalten habe. Schliesslich warst du es, der nach Informationen aus dem privatem Umfeld des Toten Ausschau hielt, ich tue nur meine Pflicht, und das sogar am Feierabend.“ Er verschränkte die Arme vor der Brust und schwieg trotzig.
„Ich weiss, Peter, und ich bin dir dankbar dafür, dass du deine privaten Kontakte so gut nutzt“, sagte Nick.
„Das ist richtig“, stimmte Gody zu, „aber wir sollten trotzdem keine unnötigen Gerüchte in Umlauf setzen, wenn es sich vermeiden lässt.“ Peter nickte und schwieg weiter.
Als nächstes war Angela an der Reihe. Sie erzählte nicht von ihren Recherchen über Tomet AG, sondern von ihrem Gespräch mit dem Präsidenten des Sportschützenvereins. Beim ersten Anruf vor zwei Tagen hatte er nur bestätigt, dass Matossi am Donnerstag vor seinem Tod mit der eigenen Waffe geübt hatte, aber heute Vormittag
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