Deine Steuern sollst du zahlen (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Jahren einen Teil des Firmenimperiums von Roche übernommen und sich am Rhein niedergelassen hatte. Maja Studer war eine Karrierefrau, das war nicht zu übersehen: sie trug ein dunkelgraues Kostüm mit weissem Top und Seidenschal, und sie kam gleich zum Thema, als der Kaffee auf dem Tisch stand.
„Ihre Nachricht von Gions Tod hat mich gestern ziemlich schockiert, Herr Pfister. Wir hatten zwar seit Jahren nichts mehr miteinander zu tun, aber wenn man mit jemandem verheiratet war, lässt einen das nicht kalt. Wie ist er denn gestorben?“
„Ihr Exmann wurde erschossen, Frau Studer, und es ist gut möglich, dass er selbst der Schütze war. Glauben Sie, dass er sich selbst umgebracht haben könnte?“
Maja Studer antwortete nicht sofort. „Ich habe keine Ahnung, Herr Pfister. Wir hatten in den letzten fünfundzwanzig Jahren praktisch keinen Kontakt, und ich weiss nicht, was er für ein Mensch geworden ist. Damals in den siebziger Jahren war er ein zufriedener und optimistischer Mann, zwar nicht sehr extravertiert, aber doch offen. Später wurde er immer verschlossener, zog sich in sich selbst zurück und wollte nicht mehr viel mit anderen Menschen zu tun haben. Zusammen mit anderen Faktoren war das mit ein Grund für unsere Scheidung.“
„Welche anderen Faktoren, wenn ich fragen darf?“ Pfister wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte, aber Maja Studer war kooperativ.
„Er war nicht damit einverstanden, dass ich mich auf meine Karriere konzentrierte und viel arbeitete. Er wollte Kinder, ein wohnliches Zuhause und eine Frau, die ihm den Rücken freihielt für seine eigene berufliche Entwicklung. Das konnte und wollte ich ihm nicht bieten, und so trennten sich unsere Wege.“
„Das war alles? Keine Affären, keine Gewalt, keine finanziellen Probleme, rein gar nichts?“ Sie schaute ihrem Gegenüber in die Augen, ein feines Lächeln spielte um ihren Mund.
„Das können Sie sich kaum vorstellen, nicht wahr, Herr Pfister? Sehen Sie, wir lernten uns in der Kantonsschule kennen und heirateten wenige Jahre nach der Matura. Ich war ein Luftgeschöpf mit tausend Ideen, er der zuverlässige, geerdete Mann – wir beide fühlten uns von dem angezogen, was uns selbst fehlte. Was wir wirklich vom Leben wollten, wussten wir damals noch nicht, das zeigte sich erst mit der Zeit. Es stellte sich heraus, dass unsere Lebensentwürfe ebenso gegensätzlich waren wie unsere Charaktere, und wir waren clever genug, das einzusehen und die Konsequenzen zu ziehen. Wir hatten keine Kinder und besassen ausser unseren zusammengewürfelten Möbeln nichts von Wert; heute bräuchte man für eine so einfache Scheidung nicht mal mehr einen Anwalt.“ Sie schaute auf ihre Uhr. „Es tut mir Leid, aber ich muss in ein paar Minuten los. Haben Sie noch weitere Fragen?“
Peter Pfister überlegte, aber es fiel ihm nichts wirklich Wichtiges ein. Sie war ihm zu glatt, zu professionell, zeigte nur wenig Bedauern über den Tod ihres Exmannes, aber das allein war kein Grund, sie zu verdächtigen. „Nur noch zwei kleine Routinefragen, Frau Studer, dann lasse ich Sie gehen. Wann haben Sie Gion Matossi zum letzten Mal gesehen, und wo waren Sie am letzten Wochenende?“
Die Antwort kam schnell, sie musste nicht überlegen. „Freitagabend bis Montag früh war ich an einem Kunden-Event in St. Moritz, das lässt sich wenn nötig leicht überprüfen. Gion habe ich vor drei Jahren zum letzten Mal gesehen, anlässlich eines Klassentreffens.“ Sie stand auf und nahm eine Visitenkarte aus ihrer Handtasche. „Falls Sie noch mehr wissen müssen, können Sie mich jederzeit anrufen. Jetzt muss ich aber wirklich dringend weg, auf Wiedersehen, Herr Pfister.“
Er dachte noch, dass es umgekehrt sein sollte: er hätte sie bitten sollen, ihn anzurufen, wenn sie sich noch an etwas Relevantes erinnerte, aber da war die Tür schon hinter ihm zugefallen.
Er ging zurück zu seinem Wagen und wurde auf der Fahrt Richtung Aarau immer missmutiger: diese Geschäftsfrauen mit ihren Karrieren waren verantwortlich dafür, dass sich die Männer immer minderwertiger vorkamen und nichts mehr zu sagen hatten. Er konnte durchaus verstehen, warum Matossi die Frau in die Wüste geschickt hatte; allerdings hatte er offensichtlich auch keine bessere gefunden, mindestens soweit die Polizei wusste.
Aber vielleicht wussten sie ja noch nicht alles über den Schürzenjäger Matossi, und wenn es jemand gab, der mehr herausfinden konnte, dann war es garantiert Peter Pfister. Auf den
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